Schmelzklebstoff (englisch melt adhesive oder hot melt) ist per definitionem ein lösungsmittelfreier Heißkleber, der unter Wärmezufuhr für die Verarbeitung verflüssigt wird. Beim Abkühlen baut das Material Festigkeit auf. Anhand des Abbindeverhaltens teilen sich die Schmelzklebstoffe in zwei Gruppen:
Hotmelt-Klebstoffe binden ausschließlich physikalisch ab, d. h. sie erhalten ihre endgültige Festigkeit durch das Abkühlen. Die reaktiven Systeme binden im ersten Schritt physikalisch, später zudem chemisch ab: Nach dem Abkühlen verbinden sich ihre Moleküle unter der Einwirkung von Luft- und Papierfeuchtigkeit zu einem stabilen Klebefilm.
Den Unterschied zwischen Schmelzklebstoffen und lösungsmittelhaltigen Klebstoffen macht die Zusammensetzung: Bei den lösungsmittelhaltigen Dispersionsklebstoffen liegen die Klebesubstanzen in Lösungsmitteln gelöst vor. Diese halten die Klebesubstanzen flüssig. Nach dem Auftragen verdunsten die Lösungsmittel, der Klebstoff geht in seinen festen Zustand über. Der Zustand von Schmelzklebstoffen ist abhängig von der Temperatur, für das Flüssig- und Festwerden benötigen sie keine Lösungsmittel.
Die Klebebindung zählt zu den gebräuchlichsten Arten, ein Druckprodukt zu binden. Als Klebstoff kommt entweder lösungsmittelhaltiger Dispersionskleber oder Schmelzkleber zur Anwendung. Drei weitere häufig verwendete Arten der Buchbindung sind:
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Im Prinzip besteht das Binden mit Schmelzkleber aus den folgenden fünf Schritten:
Das folgende Video zeigt die aktuelle Klebebinder-Anlage BQ-470 von Horizon bei der Arbeit. Der Vier-Zangen-Klebebinder kann sowohl EVA- als auch PUR-Schmelzkleber verarbeiten; die Umstellung auf den passenden Klebstoff erfolgt mit wenigen Handgriffen. Vom Hersteller wird der Klebebinder speziell für die Kategorie der digitalen Buchproduktion empfohlen.
Die Bedienung erfolgt über einen Touchscreen und standardisierte Prozesse (Touch&Work-Technologie). Als Arbeitsgeschwindigkeit können bis zu 1.000 Takte pro Stunde erreicht werden.
In der Buchbinderei seit dem Mittelalter gibt es vier Arten von Schmelzklebstoffen, die von Bedeutung sind:
Diese Schmelzkleber werden im Folgenden vorgestellt. Vorwiegend zum Einsatz kommen in der Druckweiterverarbeitung heute thermoplastische und PUR-Schmelzklebstoffe.
Glutinleime, die auf Knochen oder Haut basieren, wurden schon im Mittelarbeiter für die massenweise Produktion von Büchern verwendet. Diese Leime kann man als eine Art Schmelzklebstoff bezeichnen, da sie bei circa 50 bis 70° C aufgetragen werden und ein Teil ihres Abbindeprozesses durch das Abkühlen erfolgt: Sie durchlaufen beim Herunterkühlen auf Raumtemperatur den Sol-Gel-Übergang und binden daher, typisch für Schmelzklebstoffe, sehr schnell ab. Wegen ihrer geringen Adhäsionsbandbreite eignen sich Glutinleime jedoch nur für einfache Papier-Verklebungen.
Immer schnellere Produktionsprozesse brachten die Einführung thermoplastischer Schmelzklebstoffe: In den 1960er-Jahren wurden durch Ethylen-Vinylacetat-Copolymere (EVA) Schmelzklebstoffe so formuliert, dass sie sich mit üblichen Walzen auf gängigen Klebebindern verarbeiten ließen. Die stetige Verbesserung der verwendeten Rohstoffe führte zu einer Zunahme des Adhäsions- und Kohäsionsvermögens, sodass hochwertige Produkte nun mit hohen Geschwindigkeiten produziert werden konnten. Auch heute basieren viele in der Druckweiterverarbeitung genutzte Schmelzkleber auf EVA-Polymeren.
Eine echte Innovation für die grafische Industrie bedeutete die Entwicklung von Polyurethan-, kurz PUR-Schmelzklebstoffen für die Anwendungen in der Druckweiterverarbeitung. Die sehr guten Adhäsionswerte von Polyurethanen und die hohe Stabilität der Klebefilme nach dem Abbinden ermöglichten es den Buchbindern, nun auch Produkte im Klebebindeverfahren herzustellen, die bislang als nicht klebbar gegolten hatten. PUR-Schmelzkleber nutzen die Reaktivität von Isocyanatgruppen. Bezüglich Stabilität und Haltbarkeit der Druckprodukte bringen sie bei Seiten- und Vorsatzklebungen zusätzliche Sicherheit.
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Derzeit arbeiten viele Klebstoffhersteller daran, maßgeschneiderte Systeme auf Polyolefin-Basis in den Markt einzuführen, die etwa in der Verpackungsindustrie eingesetzt werden. Diese neuen Schmelzkleber verbinden einige Vorteile in sich:
Die Pull-Werte liegen deutlich über denen der Standard-EVA-Klebstoffe. Polyolefin-Kleber können ohne Umrüsten auf herkömmlichen Auftragsanlagen für Schmelzklebstoffe verarbeitet werden, sowohl im One- als auch im Two-Shot-Verfahren. Die Auftragstemperaturen sind vergleichsweise niedrig und schonen so das Material. Neben hohen Festigkeiten bieten diese Systeme ein sehr gutes Layflat-Verhalten der Endprodukte.
In der Druckweiterverarbeitung werden heutzutage vorwiegend PUR- oder Hotmelt-Schmelzklebstoffe verwendet. Welche Eigenschaften die reaktiven und thermoplastischen Klebstoffe auszeichnen, fasst die folgende Übersicht zusammen:
PUR-Klebebindung | Hotmelt-Klebebindung | |
Basis | Polyurethan (Kunststoffe oder Kunstharze) | Kunstharze |
Anwendung |
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Verarbeitung |
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Haltbarkeit |
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Aufschlagverhalten | gut | lässt manchmal zu wünschen übrig |
Preis-Leistung | teurer und hochwertiger als Bindungen mit thermoplastischen Klebstoffen | günstigste Form der Klebebindung |
Druckprodukte | Großauflagen und hochwertige Druckprodukte | Produkte von eher kurzfristiger Benutzung |
Bei der Arbeit mit Schmelzklebstoff gehen Gefahren für die Gesundheit in erster Linie von den hohen Temperaturen des Materials aus, wenn es sich im geschmolzenen Zustand befindet. Zum Schutz von Haut und Augen, auch gegen unvorhersehbare Klebespritzer, sollten Overalls, Handschuhe und Sicherheitsbrillen getragen werden. Im festen Zustand birgt Schmelzkleber dagegen keine Gefahr für die Haut.
Die reaktiven Schmelzklebstoffe nutzen die Reaktivität von Isocyanatgruppen. Ab einer bestimmten Konzentration an monomeren Isocyanaten gelten die Kleber daher als gesundheitsschädliche Zubereitungen, die Haut- und Atemwegsreizungen hervorrufen können. Zum Schutz vor den Dämpfen, die beim Verarbeiten entstehen, tragen die Entwicklungen von Klebstoffen und Technik ebenso bei wie ein erhöhtes Bewusstsein für die Risiken:
Artikel unter Verwendung eines Beitrags von Dr. Hermann Onusseit.
Erstmals erschienen 2013, letzte Aktualisierung 25.09.2018.