Die Druckindustrie ist seit Jahrzehnten von enormen technologischen Entwicklungen geprägt. Derzeit sind in der Branche drei Technologietrends virulent: die Veredelung von Druckprodukten, die wachsenden Möglichkeiten im Digitaldruck und – über allem schwebend – die Druckindustrie 4.0, das heißt die Automatisierung und Vernetzung aller Prozessschritte.
Trend 1: Veredelung von Printprodukten
Angesichts der zunehmenden Flut an Informationen wird es für Markenartikler oder Dienstleister immer schwieriger, ihre Zielgruppen wirkungsvoll zu erreichen. Da bietet der Druck interessante Möglichkeiten: Im Gegensatz zu digitalen Kanälen können Printprodukte optisch und haptisch einzigartig gestaltet werden. Allein schon durch die physische Präsenz und die Formatvariabilität heben sich Druckprodukte von einem kleinen Smartphone-Bildschirm deutlich ab. Kommen dann noch Veredelungen oder raffinierte Ausstattungen hinzu, ist die Nachhaltigkeit der Botschaft enorm.
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Unter Druckveredelungen versteht man die auffälligen Ausstattungen von Printprodukten, zum Beispiel durch partielle Lackierungen, Prägungen oder die Verwendung bestimmter Sonderfarben, welche etwa die Brillanz von Autolack oder die Oberfläche von Holz imitieren.
Ein kleines Beispiel für die besondere Wirkung von Print: Anstatt eine Eventeinladung per Mail oder durch einen einfachen Brief zu verschicken, werden derzeit immer häufiger Kartons mit Metalliceffekten oder Prägungen eingesetzt. Solch ein auffälliges Kommunikationsmittel verleiht jedem Event eine wesentlich höhere Relevanz. Mit anderen Worten: Je gewöhnlicher und unübersichtlicher die digitale Medienwelt wird, umso nachhaltiger wirken optisch und haptisch auffallende Printprodukte.
Druckdienstleister investieren deshalb derzeit stark in Technologien, die die verschiedensten Veredelungen inline in der Druckmaschine ermöglichen. Da dickere Farbaufträge oder Lackierungen gehärtet werden müssen, werden die meisten Druckmaschinen mittlerweile mit Trocknungseinheiten ausgeliefert. LED-UV-Trockner erobern derzeit den Markt, da sie durch ihre vergleichsweise hohe Energieeffizienz die Produktionskosten begrenzen.
Trend 2: Inkjetdruck
Gegenüber den gängigen Druckverfahren Offsetdruck, Flexodruck und Tiefdruck hat der Digitaldruck den Vorteil, dass er ohne Druckvorlagen wie Platten, Zylinder oder Sleeves auskommt. Außerdem ist im Digitaldruck ein variabler Datendruck möglich. Das heißt: jede einzelne Seite kann mit veränderten, individualisierte Daten bedruckt werden. Technologiemarktführer im Digitaldruck war bis kurz nach 2000 der amerikanische Hersteller Xerox mit seinem elektrofotografischen Tonerdruck. In den Folgejahren hat Hewlett Packard (HP) nach dem Kauf der von Benny Landa entwickelten Indigo-Technologie diese Position erobert. In jüngster Zeit drängt jedoch der Inkjetdruck verstärkt nach vorn. Firmen wie Canon, Ricoh, Konica-Minolta, Xeikon, Fujifilm, Kodak und mittlerweile mit ersten Maschinen auch Xerox und HP setzen immer mehr auf den Inkjet. Welche Fortschritte der Flüssigtonerdruck in puncto Qualität und Geschwindigkeit in wenigen Jahren machte, ist enorm.
Eine Herausforderung im Digitaldruck ist auch die Ansteuerung und die Verarbeitung der individualisierten Daten. Je schneller die Maschinen, desto performanter müssen Hard- und Software sein. Ein wichtiger Spezial-Softwareanbieter ist hier das amerikanische Unternehmen Electronics for Imaging (EFI) mit seinen Fiery-Server-Lösungen.
Inkjetdrucksysteme werden nicht nur besser und schneller, sondern drucken mittlerweile in größeren, aus dem Offset bekannten Formaten. Nachdem zur Drupa 2012 im Digitaldruck noch das B2-Format bestimmend war, boten in 2016 nahezu alle Hersteller B1-Format-Maschinen an.
Klar ist, dass der neue High-Speed-Inkjet weitere Marktpotenziale erschließen wird. Aufmerksamkeitsstarke Kampagnen wie etwa durch individualisierte Etiketten von Coca Cola und Nutella oder individualisierte Schokoladenverpackungen von Ritter Sport werden von den Markenartiklern gerne eingesetzt, um ihre Marken emotional aufzuladen. Ob der Inkjetdruck dem Offsetdruck in nennenswertem Umfang Marktanteile abnehmen wird, ist noch nicht klar. Das Feld der Kleinauflagen ist nämlich deutlich begrenzt: durch starke Automatisierungen produzieren Bogenoffsetmaschinen heute bereits bis in Auflagenregionen von 100 bis 200 wirtschaftlich. Vor einigen Jahren lag die Wirtschaftlichkeitsgrenze im Offset noch bei ein paar Tausend Exemplaren.
Trend 3: Automatisierung und Vernetzung – Druckindustrie 4.0
Die Druckindustrie 4.0, also die Automatisierung und Vernetzung der Printproduktion, hat viele Komponenten: Die Datenübernahme vom Kunden, sei es offen übers Internet oder in geschlossenen, mit B2B-Kunden gestrickten Workflows, steht am Anfang der Wertschöpfungskette. Die Vernetzung der Produktionssysteme von der Vorstufe bis zur Logistik ist ein weiterer Baustein der Industrie 4.0. Zum Einsatz kommen hier vermehrt „intelligente“ Produktionssysteme, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette über die Cloud verbunden sind.
Druckdienstleister vernetzen sich auch untereinander mehr als früher. Kooperationen via Internet bieten neue Vermarktungsmöglichkeiten. Dies hat den Vorteil, dass nicht jeder Druckdienstleister alles selbst produzieren muss, sondern sich mit seinen Stärken in einen Produktions- oder Vermarktungsverbund einbringen kann. Das spart Kosten und verbessert das Angebot gegenüber den Printbuyern. Viele Druckereien arbeiten deshalb stark daran, ihre Prozesse zu automatisieren und zu standardisieren.
Neben dem Druckprozess ist es vor allem die Druckweiterverarbeitung, in der noch viel Automatisierungspotenzial steckt. Traditionell sieht man hier in den Betrieben noch mehr Handarbeit. Die Drupa 2016 hat aber gezeigt, dass in der Weiterverarbeitung ebenfalls verstärkt hochflexible Systeme auf den Markt kommen, die sogar Hardcover-Produkte in großer Geschwindigkeit format- und stärkenvariabel herstellen können. Herzog+Heymann zeigte zum Beispiel eine automatische Packaging-Linie zur Herstellung von Faltschachteln mit eingespendetem Insert in einem Arbeitsgang. Ein neues Antriebs-, Transport- und Schneidkonzept steckt in dem neuen Dreischneider Infini-Trim von Müller Martini. Der Vorteil gegenüber klassischen Dreischneidern besteht hier darin, dass Formatänderungen, die sonst drei Minuten für den Werkzeugtausch erfordern, gänzlich entfallen. Polar bot auf der Drupa zwei verschiedene Digicut-Modelle zum berührungslosen Schneiden von Papier und Karton an. Individualisierte Konturenstanzungen können mit diesen Systemen realisiert werden.