Insider-Kolumne von Bernhard Maatz aus DD15-16/2017
Kundenfreundlichkeit ist Chefsache! Wie bitte?
von Annika Boehringer,
Machen wir einen Test! Stellen Sie sich vor, Sie sind Teilnehmer in einer Vortragsveranstaltung mit Herrn Tominaga zum Thema Kundenorientierung und Kundenfreundlichkeit. Er erzählt, wie er eine Verkäuferin in einem Warenhaus fragte, was sie unter Kundenfreundlichkeit verstehe. Sie antwortete ihm: „Wenn die Kunden freundlich zu mir sind“. Gehören Sie nun zu der großen Mehrheit im Raum, die auf diese Pointe hin in schallendes Gelächter ausbricht? Dann haben Sie den Test nicht bestanden.
Hier die Auflösung: Herr Tominaga wollte mit seinem Beispiel deutlich machen, wie gering die Kundenorientierung in Deutschland ausgeprägt ist. Die Verkäuferin hat seine Frage, was Kundenfreundlichkeit für sie bedeute, aber absolut richtig beantwortet. Hätte Herr Tominaga ge-fragt, was unter Mitarbeiterfreundlichkeit zu verstehen sei, hätte er sicher die Antwort erhalten, die er hören wollte. Mitarbeiterfreundlichkeit bedeutet, dass die Mitarbeiter freundlich und zuvorkommend zu ihren Kunden sind, Kundenfreundlichkeit aber, dass die Kunden umgekehrt zu Mitarbeitern freundlich sind.
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Viel zu oft müssen die Mitarbeiter sich für Serviceprobleme entschuldigen, die durch Fehler in der Führungsetage entstanden sind.
Die Zufriedenheit der Kunden in Deutschland mit dem gebotenen Service hat in der Tat deutlich zugenommen, ist aber im internationalen Vergleich noch immer unterdurchschnittlich. Nicht einmal die Hälfte der Befragten hat mit dem Kundenservice gute oder sehr gute Erfahrungen gemacht. Wenn Führungskräfte über die richtige Bemerkung einer Mitarbeiterin in höhnisches Lachen ausbrechen, ist es an der Zeit, dem Thema neue Aufmerksamkeit zu schenken.
Viel zu oft müssen die Mitarbeiter sich für Serviceprobleme entschuldigen, die durch Fehler in der Führungsetage entstanden sind. Die Deutsche Bahn schießt hier sicher den Vogel ab. Ausfallende Reservierungssysteme, plötzlicher Gleiswechsel, falsche Wagenreihung, defekte WCs, ausgefallene Kühlung usw. Die Mitarbeiter sind genauso die Leidtragenden wie ihre Fahrgäste. Die Betreuer in den ICE-Zügen tun alles, um die schlechten Erfahrungen vieler Fahrgäste zu kompensieren. Das eigentliche Problem ist nicht nur in diesem Unternehmen eine Infrastruktur, die eine den Erwartungen vieler Kunden entsprechende Betreuung nicht zulässt.
Bei vielen Unternehmen bleibt man in einer Warteschleife stecken, wenn man eine Auskunft braucht. Die Hotlines werden aus Kostengründen einfach unzureichend besetzt. Irgendwo muss man doch sparen. Was machen die Kunden, die mit einem schlechten Service konfrontiert wurden?
64 Prozent von ihnen erzählen ihren Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen davon. Nur 54 Prozent beschweren sich beim Unternehmen. Kein Wunder! Das kann in harte Arbeit ausarten, um einen Ansprechpartner zu erreichen. Nach meiner Wahrnehmung ist die Kundenfreundlichkeit aktuell deutlich schlechter als die Mitarbeiterfreundlichkeit. In den wenigsten Fällen erlebt man patzige Mitarbeiter.
Sind Druckunternehmen in diesem Servicegeschehen positive Ausnahmen? Erfüllt Ihr Unternehmensauftritt – angefangen bei der Homepage, der Besetzung des Empfangs, der Erreichbarkeit der Mitarbeiter oder dem Auftragstracking – die Erwartungen Ihrer Kunden? Wann wurde zur Messung der Kundenorientierung Ihres Unternehmens und zur Messung der Mitarbeiterfreundlichkeit die letzte Kundenbefragung durchgeführt? Welche Schlussfolgerungen wurden gezogen? Welche inzwischen umgesetzt? Nichts ist so gut, als dass man es nicht noch besser machen könnte. Nicht die Verbesserung der Mitarbeiterfreundlichkeit und schon gar nicht die der Kundenfreundlichkeit ist Chefsache, sondern die Verbesserung der Kundenorientierung – der Prozesse und der Infrastruktur.
Bernhard Maatz (66) ist Gründer und Mehrheitsgesellschafter der Symbio Consult GmbH. Der Industriekaufmann studierte Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing. Nach 40 Berufsjahren – auch in der Druckindustrie – ist er ein Experte für Unternehmensneuausrichtung, Organisationsentwicklung und Handlungskompetenz.