Auch dieses Jahr greift das Online Print Symposium (23.–24. März 2023, München) die wichtigsten Zukunftsthemen des Onlinedrucks auf. print.de hat Bernd Zipper und Jens Meyer, die beiden Protagonisten auf Veranstalterseite, gefragt, wie sich der Onlinedruck entwickeln wird und welche Trends für Druckereien maßgeblich sein werden.
Das Online Print Symposium (OPS) wird zehn Jahre alt – in dieser Zeit hat sich die Druckindustrie, aber auch der Onlinedruck, stark verändert. In welche Richtung?
Bernd Zipper: Ganz klar: Onlineprint ist vom Markt-Disruptor zum Markt-Motor geworden. Viele Entwicklungen, im Maschinen- und Softwarebereich, hätte es ohne die Impluse des Onlineprints nicht gegeben. Und es war schon immer so, dass diejenigen Unternehmen, die es frühzeitig verstanden haben, dass man durch Automatisierung und durch die integrative Produktion von Mengen günstiger ist und sich dadurch einen Marktvorteil erarbeiten kann, deshalb Geld verdienen. Und natürlich konnte damals wie heute der KMU-Drucker da nicht immer mithalten. Aber damals wie heute ist es so, dass viele Drucker schon bei Onlinedruckern bestellt haben. Deswegen sehe ich es eigentlich nicht als getrennte Welten – ich sehe es als verschiedene Vertriebswege, die sich gegenseitig befruchten und gemeinsam für die Überlebensfähigkeit der Branche einstehen.
Jens Meyer: Natürlich gab es auch bei uns in den Verbänden am Anfang skeptische Stimmen. In jedem Veränderungsprozess gibt es kritische Stimmen, die das Alte bewahren wollen, obwohl die Entwicklung weitergeht. Heute wissen wir alle, wie wichtig es war, dass wir uns des Themas Onlinedruck angenommen haben und versucht haben, möglichst viele ins Boot zu nehmen, damit sie ebenfalls vom Onlinedruck profitieren können.
Wenn wir uns die großen Themen der Onlinedruckereien ansehen, dann begegnen uns natürlich Mass Customization, E-Commerce oder die digitale Transformation. Welches Thema steht derzeit im Vordergrund?
Bernd Zipper: Für mich ist das die Artificial Intelligence, also die künstliche Intelligenz oder KI. Wahrscheinlich werden sich die meisten fragen, was das überhaupt mit Druck zu tun hat. Aber auch im Druck geht es darum, neue Vertriebswege zu erschließen und Prozesse zu optimieren. Nehmen wir zum Beispiel ChatGPT. Wenn ich einen Onlineshop aufsetze und nur vier verschiedene Papiersorten für A4-Briefpapier nehme, die ich mit vier verschiedenen Farben oder getrennt bedrucken kann, dann kommt vielleicht noch eine Prägung als Veredelung dazu und vielleicht noch Pantonefarben – ganz schnell habe ich nicht nur ein einzelnes Produkt sondern ein ganzes Konglomerat von Produkten, für die wir aber wegen Google jeweils eine eigene Produktbeschreibung benötigen. Darüber hinaus brauche ich auch noch spezielle Texte für Social Media. Schnell wird klar, welche Vorteile es für Onlinedruckereien hat, wenn man solche Texte automatisiert erstellen kann. Auch im grafischen Bereich treffen wir auf KI-Funktionen: Wo früher ein CTP-Operator stundenlang vor dem Computer saß, um etwas herauszuretuschieren, kann so etwas heute automatisiert stattfinden. Bilder werden durch Software entpixelt und dann wieder neu gepixelt, damit ich sie skalieren kann, und das eben auf Basis von Artificial Intelligence. Um solche Möglichkeiten muss sich die Druckindustrie kümmern, nicht nur der Onlinedruck.
Inwieweit ist die KI bereits in der Druckindustrie angekommen. Gibt es schon Unternehmen, die das einsetzen?
Bernd Zipper: Die Umsetzung ist noch schwierig, weil manches – wie zum Beispiel ChatGPT – sich noch in der kostenlosen Beta-Phase befindet. Das wird sich aber ändern. Spätestens in dem Moment, wo ein Preisschild dran ist, können wir davon ausgehen, dass es kein Beta mehr ist. Und da gibt es schon Unternehmen, die sich das genauer anschauen. Das sind meistens die Großen, denn die haben Leute, die das auch erforschen können und auch das technische Verständnis haben. Die prüfen, welche Geschäftsmodelle hier entstehen können, um damit Geld zu verdienen. Unternehmen, die mehrere Onlineprint-Brands im Internet haben, vor allem im Fotobuchbereich, die bemühen sich hier ganz aktiv darum.
Jens Meyer: Künstliche Intelligenz ist mit Sicherheit ein ganz wichtiges Thema im Rahmen der digitalen Transformation. Wenn wir die Branche insgesamt betrachten, stehen wir hier vielfach noch am Anfang. Wir werden da noch riesige Entwicklungen erleben mit automatisierten Drucksälen und automatisierten Fertigungsstraßen. Diese Entwicklung wird weitergehen. Mit der zunehmenden Entwicklung von Software, die ja auch kleinteiliger wird und die man beliebig kombinieren kann, wird das auch für viele mittelständische Unternehmen interessanter. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir hier noch einen Riesenschritt erwarten werden, und zwar nicht nur in unserer Branche, sondern in allen Branchen, was das Thema digitale Transformation auch in der Produktion angeht.
Bernd Zipper: Diese Entwicklung wird ja nicht aufhören. Die digitale Transformation ist ein langer Prozess. Auf dem Online Print Symposium haben wir hier mehrere Speaker dazu, die genau beschreiben, wie sie das in der Praxis einsetzen. Da werden Unternehmen aus der Druckindustrie genauso über Ihr Business berichten, wie ein Vertreter von Meta erklärt, welchen Stellenwert digitale Social-Media-Kanäle in Verbindung mit Print haben.
Wir alle müssen verstehen, dass Print ein Medienkanal ist, genauso wie Fernsehen, genauso wie Social Media und alle anderen. Wir müssen aber auch verstehen, dass wir nicht mehr das Monopol haben in der Druckindustrie – die anderen aber auch nicht. Wir kommen nur gemeinsam nach vorn, denn jede Zielgruppe von den Babyboomern bis zur Generation Z hat ihre eigenen Medienkanäle, und die müssen wir bespielen.
Jens Meyer: Das Online Print Symposium bietet genau für diese Entwicklungen und Trends den Austausch mit Kollegen, und zwar auf Augenhöhe. Denn eigentlich testen ja viele Unternehmen gerade einiges aus und sammeln ihre Erfahrungen. Und dies im Rahmen des Online Print Symposium im Gespräch mit Kollegen abzugleichen, bietet einen echten Mehrwert. Bei solchen Gesprächen sind in der Vergangenheit auch schon viele Kooperationen entstanden.
Letztlich geht es beim Online Print Symposium ja immer auch um den digitalen Vertrieb.
Jens Meyer: Ja, das ist das Kernthema. Und auch hier müssen wir den Blick nach vorn richten, wie digitaler Vertrieb morgen funktionieren wird. Die Symposiums-Teilnehmer sollen Impulse mitnehmen, wie sie morgen drucken werden und über Online-Kanäle verkaufen können. Und hierfür nehmen wir immer wieder Trends auf. „Mobile first“ war mal so ein Trend, heute ist das Realität.
Bernd Zipper: Wenn man sich das OPS-Programm ansieht, erkennt man, dass wir das nicht für Tekkies machen, sondern für Unternehmer:innen, die das in den Unternehmen als Grundlage für die Entwicklung ihrer eigenen Strategie verwenden können. Dazu muss ich nicht jedes technische Detail verstehen, aber wissen, wie das System funktioniert, wie E-Commerce funktioniert, wie KI funktioniert und so weiter, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und bei welchem Event triffst du schon mal auf Robert Keane, den Gründer von Vistaprint, und kannst ihm ganz einfach Fragen stellen.
Wenn Ihr Euch die Besucher der vergangenen Online Print Symposien anschaut: Hat sich die Zusammensetzung verändert?
Jens Meyer: Wir haben viele Stammgäste, die zu den Innovativen der Branche gehören, die immer vorne dran sind und die von uns als Verband solche Themen ganz einfach fordern. Wir haben aber auch ganz viele, die das erste Mal kommen, die einfach nach vorne denken und neue Geschäftsmodelle entwickeln wollen.
Bernd, Du berichtest ja traditionell am Anfang des Symposiums über die „Entwicklungen und Trends in der Onlineprint-Industrie“. Wo stehen wir 2023?
Bernd Zipper: Man muss differenzieren, und zwar, wie sich USA entwickelt, wie sich Europa insgesamt entwickelt und wie sich der DACH-Raum entwickelt. In den USA haben wir die Trennung zwischen Commodity Print und Print. In Europa und hier vor allem im DACH-Raum ist es so, dass die Druckprodukte immer spezialisierter werden, auch online. Wo man früher vielleicht gesagt hat, Veredelungen gehen online nicht, da muss man heute sehr wohl konstatieren, dass das auch online geht. Und wir reden hier nicht einfach nur von einer partiellen Bebilderung, sondern auch von Registerstanzungen oder Ähnlichem. Im DACH-Raum werden auch hochkomplexe Druckprodukte im Onlinedruck abgebildet. Das ist in anderen Ländern nicht so. Deshalb sehen wir auch im Onlineprint eine zunehmende Spezialisierung. Wobei wir auch registriert haben, dass Themen wie die Verknappung von Rohstoffen durchaus dazu geführt haben, dass einige Unternehmen den Markt verlassen haben. Die großen Onlinedrucker allerdings sind aus der ganzen Krise eigentlich relativ gut herausgekommen, natürlich nur mit hohen Anstrengungen. Wir werden sehen, dass der Onlineprint-Bereich insgesamt wieder weiter wächst.
Im Onlineprint haben wir die großen Druckfabriken, aber auch die Netzwerke, bestehend aus einigen, manchmal Hunderten von Druckereien. Welches Modell hat mehr Potenzial?
Bernd Zipper: Hier gibt es kein schwarzweiß. 80 Prozent der Drucksachen, die sich automatisieren lassen, werden in hochautomatisierten Produktionsumgebungen laufen. Wir sprechen hier von der Druckindustrialisierung. Das müssen aber nicht zwangsläufig Riesen-Unternehmen sein. Das kann auch ein kleinerer Drucker sein. Aber es sind hochautomatisierte Unternehmen. Und daneben hast du natürlich auch Spezialisten, die in Netzwerke eingebunden sind, um ganz besondere Produkte wie ein Kunstbuch, ein individuelles Magazin oder einen Geschäftsbericht, wo der Kunde auch mal zur Druckabstimmung an die Maschine kommen möchte, zu realisieren.
Welche Rolle spielen der Verpackungsdruck und die Etikettenproduktion im Onlinedruck und auch beim Online Print Symposium?
Bernd Zipper: Im Online Print gibt es natürlich Spezialisten wie etwa etikett.de oder labelprint24.com, aber die meisten großen Onlinedrucker definieren sich nicht als Label Printer, Magazindrucker oder Verpackungsdrucker. Die großen Onlinedruckereien, aber auch viele kleinere, bieten heute schon Verpackungen und Etiketten in einem sehr hohen Fertigungsstadium an. Das ist Teil des Portfolios. Übrigens: Als Robert Keane mit Vistaprint begann, hat er am Anfang in einer Garage Etiketten für Amazon gedruckt. Klar gibt es auch heute noch Spezialisten, zum Beispiel im Bereich hochveredelter Weinetiketten, aber grundsätzlich macht der Onlinedruck keine Trennung der verschiedenen Druckbereiche. Das spiegelt sich auch beim OPS wieder, übrigens auch in der Initiative Online Print.
Viele große Onlinedruckereien sind international aufgestellt. Auch das Online Print Symposium ist international angelegt. Warum ist die Internationalisierung im Kontext Onlinedruck so wichtig?
Jens Meyer: Weil es enorm hilfreich ist, von anderen Märkten zu lernen. Mit dem Online Print Symposium wollen wir ja bewusst nach rechts und links schauen, was außerhalb Deutschlands und Europas passiert. Außerdem werden wir über kurz oder lang einen europäischen Druckmarkt haben, wenn nicht sogar einen weltweiten Druckmarkt. In solch einer Situation ist es sehr wichtig, dass wir den Blick über den deutschen und europäischen Tellerrand hinaus wagen.
Bernd Zipper: Die zunehmende Internationalisierung der Druckmärkte hat ja noch einen weitergehenden Effekt, und zwar im Bereich Nachhaltigkeit. Druck-Netzwerke können dazu beitragen, die Logistikwege zu verkürzen. Wenn ich ein Magazin produziere und dies zum Beispiel in Versionen für Norwegen, Italien und Frankreich, dann bietet es sich an, das jeweils vorort zu drucken, anstatt tonnenweise bedrucktes Papier mit LKWs von A nach B zu bewegen. Zu diesem Thema möchte ich noch auf den OPS-Vortrag von Ralph Dittmann, Geschäftsführer der WKS Gruppe, hinweisen. Er wird aufzeigen, dass Print doch nachhaltiger ist, als sich das viele vorstellen können. In den nächsten Tagen werden wir noch ein paar Überraschungen präsentieren – es lohnt sich, zum 10. Online Print Symposium zu kommen.
Infos zum Programm und Anmeldung: www.online-print-symposium.de