“T-shaped skills”: Qualifikationen in die Breite und in die Tiefe fördern
von Dr. Anne König,
In unserer Branche ist die Fähigkeit von Unternehmen, sich frühzeitig den Markt- und Technologieveränderungen anzupassen – oder noch besser: ihnen vorauszueilen –, einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Das geht nur, wenn man die Mitarbeiter immer wieder mitnimmt in neue Aufgabenprofile.
Dabei darf man sich aber nicht verzetteln und von allen alles verlangen. Eine enorme Herausforderung für jede Führungskraft. Mir hilft dabei das „T-Shape-Modell“. Es stammt aus den 90er Jahren und wurde anfangs genutzt, um die hybriden Anforderungen an Computerspezialisten zu diskutieren. Heute wird mit dem Modell dargestellt, dass bei praktisch jedem Mitarbeiter in innovativen Branchen sowohl ein Breiten- als auch ein Spezialistenwissen erforderlich ist.
Anzeige
Der senkrechte Strich im T steht für eine Spezialisierung, etwas, in das man vertieft eingedrungen ist und so viel Erfahrungen gesammelt hat, dass man sich „Könner“ nennen kann. Der waagerechte Oberstrich symbolisiert Breitenwissen: die Fähigkeit, rechts und links vom eigenen Spezialwissen das Umfeld wahrzunehmen. Breitenwissen ermöglicht es, sich effektiv und effizient in Teams einbringen zu können, weil die Bedeutung der verschiedenen Disziplinen für die Lösung von Aufgaben erkannt und akzeptiert ist. Das eigene Spezialistenwissen – und das Bewusstsein, dass man es hat und dass es im Team gebraucht wird – ermöglicht es, dieses nicht nur einzubringen, sondern auch Verantwortung dafür zu übernehmen, dass es beachtet wird.
“Breitenwissen ermöglicht es, sich effektiv und effizient in Teams einbringen zu können.”
Machen Sie sich die Mühe, alle Mitarbeiter, für die Sie Verantwortung übernehmen (inklusive sich selbst!), hinsichtlich ihrer T-Shaped Skills durchzugehen. Wer ist der beste Drucker? Wer ist der beste Außendienstmitarbeiter? Wer ist der beste Workflowfachmann? Wer weiß am meisten über Datenschutz? Und dann prüfen Sie, ob deren Wissen und Tiefe für ihr Unternehmen ausreicht – ansonsten heißt es: Geld und Zeit besorgen für Weiterbildung und Projekte, an denen sie wachsen können.
Breitenwissen zu organisieren ist aus meiner Sicht einfacher, wird aber häufig schlicht vergessen. Warum nicht den Workflowfachmann mitnehmen zum Außendiensttermin mit einem Kunden, der eine Systemintegration sucht. Oder, wie kürzlich in einem 60-Mitarbeiter-Unternehmen erlebt, warum nicht alle – und das waren wirklich alle! – Mitarbeiter mit auf die Messe nehmen, um ihnen zu zeigen, was rechts und links vom eigenen Betrieb passiert. Nebenbei war das ein von allen sehr positiv aufgenommener Event, den Zusammenhalt unter den Kollegen zu stärken.
Und egal ob Breite oder Tiefe: „Fünf Tage pro Jahr außer Haus!“ – Das ist mein Mantra für meine eigene Weiterbildung und die der Kollegen im Drucklabor der Beuth Hochschule: Im Haus kann ich mein Spezialistenwissen vervollkommnen, aber nur draußen bekomme ich mit, was sich um mich herum verändert – und ob wir uns noch schneller verändern müssen.
Dr. Anne König (57) ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre der Druck- und Medienbranche an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Sie ist gelernte Druckerin und Druckingenieurin mit zehnjähriger Vertriebserfahrung. In Forschung und Lehre beschäftigt sie sich auch mit dem Wandel der Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung.