Wie Raffael Kuhn, Product Manager Digital Solutions bei Müller Martini, sagt, wurde die Druckweiterverarbeitung lange Zeit hauptsächlich in Produktionsverfahren – also Klebebindung, Sammelheftung, Fadenheftung etc. – gedacht, ein Ansatz, der bei vielen Betrieben so nicht mehr funktioniert. Heute geht es vielmehr um eine Produktion, die tatsächlich vom Dateneingang bis zum Warenausgang vernetzt ist, und der Schweizer Hersteller hat mehrere Kunden, die bereits ziemlich „smart“ produzieren.
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Der österreichische Fotobuchanbieter Happy Foto (Freistadt) ist vor etwa 15 Jahren in die Fotobuchproduktion eingestiegen. Heute macht dieser Geschäftsbereich fast 70 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Zu Stoßzeiten produziert das Unternehmen bis zu 17.000 Fotobücher am Tag. Das Jahresvolumen gibt Happy Foto mit fast einer Million Bücher an. Zu schaffen ist diese Menge nur mit einer durchgängigen Automatisierung, wie Marlene Kittel erklärt, die im vergangenen Februar die alleinige Geschäftsführung von ihrem Vater übernommen hat. Dabei liegt die Betonung auf dem Wörtchen „durchgängig“, also vom Bestellportal über die Datenaufbereitung, den Druck und die Weiterverarbeitung bis hin zum Versand.
Zum Nulltarif ist dieser Automatisierungsgrad allerdings nicht zu haben: So investierte das Familienunternehmen in den vergangenen beiden Jahren rund sieben Millionen Euro. Dabei sind laut Geschäftsführerin Marlene Kittel die IT-Kosten in den letzten zehn Jahren von zwei auf 22 Prozent des Umsatzes gestiegen.
Vernetzung bis in die Druckweiterverabeitung
Nachdem die plattformübergreifende Happy-Foto-Bestellwelt im April 2019 online gegangen war, fehlte für eine Automatisierung noch der gesamte Bereich der Weiterverarbeitung. Und der hat einen entscheidenden Anteil an den Produktionszeiten und den Kosten: Der Markt verlange heute eine hohe Format- und Umfangsvariabilität, wodurch gerade in der Weiterverarbeitung die Rüstzeiten exorbitant ansteigen können, berichtet der Seniorchef Bernhard Kittel. „Ein Formatwechsel von einem Hoch- zu einem Querformat hat früher locker 15 Minuten in Anspruch genommen. Heute erfolgt der Formatwechsel bei der Diamant MC Digital und beim Dreischneider HD-HD 143 des Schweizer Herstellers Müller Martini automatisiert im laufenden Betrieb.“
„Wir haben mit Müller Martini die Klebebindung, die Buchdecken- und die eigentliche Buchherstellung mit dem Workflowsystem Connex vernetzt“, berichtet Bernhard Kittel. Damit sind die wesentlichen Komponenten für die vernetzte Produktion neben dem von Happy Foto eigens entwickelten ERP-System ein Klebebinder KM 200 mit Vorsatzbogenanleger, ein BDM-Universal-Digital-Deckenautomat, ein Dreischneider HD-HD 143, eine Diamant MC Digital in der Fotobuch-Variante – und das Müller-Martini-Workflowsystem Connex.
Integration in die digitale Infrastruktur
Damit Letzteres optimal zum Happy-Foto-Workflow passt, hat Müller Martini das System in enger Zusammenarbeit mit Happy Foto weiterentwickelt. Jetzt ermöglicht das System unter anderem eine weitgehend umfang- und formatvariable Produktion und sorgt generell für die nahtlose Integration in die gesamte digitale Infrastruktur. „Es liefert mit dem Data-Matrix-Code die Sicherheit, dass immer der richtige Block in die Buchdecke eingehängt wird“, betont Marlene Kittel. Darüber hinaus kann Happy Foto jetzt Fotobücher in Zwei-Seiten-Schritten mit einem maximalen Umfang von bis zu 240 Seiten produzieren. Über den Data-Matrix-Code kann die gesamte Produktionstrasse kontinuierlich an die wechselnden Umfänge anpasst werden.
Weitere Beispiele für eine vernetzte Produktion – sowohl in der Buchproduktion als auch bei Fachpublikationen und Broschüren – beschreiben wir in der aktuellen Ausgabe von Deutscher Drucker 4/2020. Das Heft kann im print.de-Shop bestellt werden.