Die schwierige Verfügbarkeit und die hohen Preise von Papier bescheren Druckereien enorme Probleme. Was kann man hier tun? Deutscher Drucker erkundigte sich hierzu bei Thomas Klose und Rainer Greive. In dem Interview erklären die beiden Senior Consultants von der Unternehmensberatung GC Graphic Consult, wie man durch eine verbesserte Materialeffizienz erhebliche positive Effekte generieren kann.
DD: Herr Greive, die Branche durchlebt gerade besondere Zeiten: Papier hat sich enorm verteuert und ist außerdem nur begrenzt verfügbar. Was raten Sie Unternehmen in dieser außergewöhnlichen Marktsituation?
Greive: Die Papierknappheit und die hohen Papierpreise sind ein schwieriges Thema, das eine einzelne Druckerei jedoch nicht ändern kann. Die Frage lautet also: „Was machen Sie in dieser Situation?“. Wir wollen heute gar nicht darüber sprechen, wie Druckdienstleister die erhöhten Preise an Ihre Kunden weitergeben können, wobei daran gar kein Weg vorbeiführt, sondern die Materialfrage in den Blick rücken. Der Preishebel funktioniert in der aktuellen Marktsituation nicht. Demnach ist der einzige Hebel, den sie bewegen können, die Materialeffizienz.
DD: Was bedeutet das konkret? Was verstehen Sie unter Materialeffizienz?
Klose: Es geht darum, die Gesamtabfallquote zu reduzieren. Diese ist weit mehr als die meistens bekannte Makulaturquote. Die Gesamtabfallquote ist die entsorgte Menge im Verhältnis zur eingesetzten Menge an Papier. Viele Unternehmen ermitteln diese Zahl nicht und erschrecken, wenn sie feststellen, dass sie mehr als ein Viertel des teuren Papiers als Abfall zu ihrem Entsorger zurückgeben.
DD: Diese Zahl erscheint sehr hoch.
Klose: Die Gesamtabfallquote ist für jedes Marktsegment – ob Bogen, Rolle oder Faltschachtel – natürlich unterschiedlich und hängt auch von der Wertschöpfungsstruktur des Unternehmens ab. Ob man eine eigene Klebebindung hat oder bei einem Dienstleister binden lässt, macht natürlich auch einen Unterschied. Bei einem Bogenoffsetbetrieb schwankt die Gesamtabfallquote zwischen 18 und 34 Prozent.
DD: Wie wird ein Projekt zur Verbesserung der Materialeffizienz konkret durchgeführt?
Klose: Im ersten Schritt wird die Gesamtabfallquote für einen Zeitraum von mehreren Jahren ermittelt und geprüft, ob größere Schwankungen vorliegen. Der nächste Schritt ist ein Vergleich der eigenen Quote mit vergleichbaren Unternehmen. Hier können wir aufgrund vieler durchgeführter Projekte auf Benchmarks zurückgreifen. Anhand der Benchmarks wird ein konkretes Ziel vereinbart, zum Beispiel die Senkung der Gesamtabfallquote von 26 auf 23 Prozent. Das klingt unspektakulär, hat aber enorme finanzielle Auswirkungen.
Greive: Anschließend beginnt die Detailarbeit. Wie setzt sich der Gesamtabfall zusammen? Wie hoch ist der Verlust aus Warenhandling, Einrichte- und Fortdruckmakulatur, Weiterverarbeitungs- und technischem Abfall, Qualitätsmängel und – erstaunlicherweise selten beachtet – Überproduktion. Wir nennen diese Zusammenstellung Stoffstromanalyse. Kennen wir die Zusammensetzung des Stoffstroms, dann können wir die Themen identifizieren, die einerseits beeinflussbar sind und andererseits die größte Auswirkung haben. Für diese Themen werden gemeinsam mit allen verantwortlichen Mitarbeitern Maßnahmen zur Optimierung entwickelt. Die Projektarbeit findet dabei schichtübergreifend statt, und zwar meistens direkt in der Produktion.
DD: Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei solch einem Projekt?
Greive: Zum einen muss das Bewusstsein der Mitarbeiter geschärft werden. Notwendig ist es auch, Klarheit und Datentransparenz schaffen, damit die Ansatzpunkte zur Verbesserung ermittelt werden können. Schließlich geht es darum, die Maßnahmen gemeinsam mit den Mitarbeitern zu entwickeln. Danach folgt ein verbindlicher Projektplan und ein regelmäßiges Messen und Nachhalten der Effekte.
DD: Was ist davon am wichtigsten?
Klose: Eindeutig das Bewusstsein bei den Mitarbeitern schaffen. Ich möchte das mit einem kleinen Beispiel verdeutlichen: In einem Projekt haben wir keine detaillierte Analyse durchgeführt, sondern lediglich die Drucker gebeten, die Makulaturbogen zu sammeln und am Ende der Schicht den Wert festzuhalten. Dazu haben wir einfach einen Meterstab mit Eurobeträgen verwendet. Alleine durch diese Maßnahme wurde das Bewusstsein der Mitarbeiter geschärft, und die Makulaturquote sank.
DD: Und wie groß ist der Effekt aus Materialeffizienzprojekten in der Realität?
Greive: Wenn ein Unternehmen beispielsweise jährliche Papierkosten von 5 Mio. Euro hat, und es gelingt, den Gesamtausschuss um 3 Prozentpunkte zu reduzieren, ergibt sich eine jährliche Ergebnisverbesserung von 150.000 Euro. Das ist oftmals die gesamte Rendite einer Druckerei. Und eine Verbesserung um 3 Prozentpunkte ist ein durchschnittlicher Wert aus vielen Projekten.
DD: Ein derartiges Projekt kostet zunächst ja aber auch Geld. Wie hoch sind die Kosten?
Klose: Das hängt von verschiedenen Faktoren wie Unternehmensgröße oder Verfügbarkeit der Daten ab. In allen Projekten gilt jedoch: Die Projektkosten sind nur ein Bruchteil der jährlich wiederkehrenden Einsparungen. Dazu verpflichten wir uns gegenüber unseren Kunden. Unser Versprechen lautet: Wir führen das Projekt nur durch, wenn die jährliche Einsparung mindestens doppelt so hoch ist wie der Projektaufwand. Und mit der Durchführung meinen wir auch, dass wir solange im Unternehmen bleiben, bis alle Maßnahmen übergeben und für die Mitarbeiter umsetzbar sind.
DD: Muss das Projekt zwingend mit einem externen Berater wie GC Graphic Consult durchgeführt werden?
Greive (lacht): Natürlich! Aber im Ernst: Selbstverständlich können Sie ein derartiges Projekt auch selbst durchführen. Für den Berater gibt es folgende Argumente: Verfügbarkeit von Benchmarks, Methoden-Know-how, Erfahrung aus vergleichbaren Projekten. Außerdem geben Sie dem Projekt damit eine größere Bedeutung.
DD: Was sind die Vorteile einer Verbesserung der Materialeffizienz verglichen mit anderen Projekten?
Klose: Sie erzielen einen finanziellen Effekt, der sofort in der Gewinn- und Verlustrechnung wirkt. Und was in Zeiten der Materialknappheit nicht zu vernachlässigen ist: Sie können das eingesparte Material für andere Aufträge verwenden. Dass das Ganze ökologisch sinnvoll ist, versteht sich von selbst.
Das Interview erschien in Deutscher Drucker Nr. 15/2021. Das Fachmagazin können Sie in einem Print-Abo, in einem Print+Digital-Abo oder im reinen Digital-Abo beziehen.