Auf geht's, Druckindustrie!

Haben Sie schon das richtige »Mindset« für die Digitalisierung?

Druckindustrie: In seiner bekannt ruhigen und sachlichen Art brachte Georg Obermayr auf dem »Hello Future«-Kongress von VDMB und Fogra mit einfachen Mitteln Klarheit hinter den Begriff »Digitalisierung« – und was er tatsächlich für die Druckindustrie be­deutet.
In seiner bekannt ruhigen und sachlichen Art brachte Georg Obermayr auf dem »Hello Future«-Kongress von VDMB und Fogra mit einfachen Mitteln Klarheit hinter den Begriff »Digitalisierung« – und was er tatsächlich für die Druckindustrie be­deutet. (Bild: VDMB / Fogra)


Während die Druckindustrie noch über die Bedeutung der »digitalen Transformation« diskutiert, sind ihre Geschäftsmodelle schon von Disruption bedroht. Publishing-Spezialist Georg Obermayr rät Unternehmen, das eigene Geschäftsmodell selbst zu kannibalisieren. Doch als Basis benötige man zunächst zwingend ein neues »Mindset« – denn die richtige Einstellung gegenüber den Veränderungen »ist die DNA bzw. das Betriebssystem der Digitalisierung«!

 

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Was die Digitalisierung der Druckindustrie wirklich bedeutet

Für die Entwicklung einer solchen Einstellung – und somit das Abwenden fremder Disruption – sind aus Georg Obermayrs Sicht drei Kernpunkte absolut kriegsentscheidend:

Druckindustrie: Disruptive Entwicklungen lassen sich an einer exponentiellen Bedeutungskurve erkennen, die flach an­läuft und sich dann immer schneller verdoppelt. Ist Ihr Geschäftsmodell von einer solchen Entwicklung be­droht, disruptieren Sie es doch einfach selbst!
Disruptive Entwicklungen lassen sich an einer exponentiellen Bedeutungskurve erkennen, die flach an­läuft und sich dann immer schneller verdoppelt. Ist Ihr Geschäftsmodell von einer solchen Entwicklung be­droht, disruptieren Sie es doch einfach selbst! (Bild: Georg Obermayr)

 

  • 1 – Empathie
    Also Einfühlungsvermögen, Aufmerksamkeit, Menschlichkeit. Und dies beziehe sich natürlich stets auf den Kunden. »Die meisten Disruptionen, die funktionieren, entstehen aus Empathie und sind aus der Sicht des Nutzers heraus, also kundenzentriert, gedacht worden«, so Obermayr. Doch die meisten Un­ternehmen wüssten heute so gut wie nichts über ihre Kunden. Und somit auch nichts über das grundlegende Fundament ihrer Geschäftsidee.
    Schlüsselwort zur Lösung dieses Dilemmas sei das Erarbeiten sogenannter »Buyer Personas«, was aber heute in der Praxis so gut wie noch nirgends »gelebt« werde. Buyer Personas beschreiben Prototypen von Nutzergruppen und beantworten somit entscheidende Fragen wie »Was will der Nutzer eigentlich«, »Welche Bedürfnisse hat er«, »In welcher Situation ist er im Moment«, »In welchen Entscheidungsketten hängt er«, »Was ist sein Antrieb« und liefert natürlich auch demografische Informationen wie etwa Geschlecht, Alter etc.
    Wie wichtig kundenzentriertes, empathisches Handeln (Customer Centricity) sein kann, zeigte Georg Obermayr an einem »klinischen« Beispiel auf. Der amerikanische Hersteller von Magnetresonanztomographen, General Electrics (GE), musste in der Praxis an Kliniken feststellen, dass 80% der zu untersuchenden Kinder Angst vor dem MRT hatten und mit Medikamenten für die Untersuchung ruhiggestellt werden mussten. Nach zahlreichen Gesprächen mit Kindern, Ärzten und Eltern entwickelte GE die »Adventure Series MRT«, verschiedene bunt bemalte MRT-Geräte, die in ebenfalls unterschiedliche, abenteuerspielplatzähnliche Umfelder in Krankenhäuser verbaut wurden. Die Technik blieb dabei unverändert, jedoch wurde das »Produkt« kundengerecht verpackt und ein »Drehbuch« für die Ärzte erstellt, um die Kinder mit »in das Abenteuer MRT« zu nehmen. Das Ergebnis: Die Notwendigkeit für Beruhigungsmittel für eine erfolgreiche Untersuchung ging drastisch zurück, es kam zu weniger Terminabsagen, die Zufriedensheitswerte bei Kindern, Ärzten und Eltern stiegen rapide an – und ermöglichten wirtschaftlich wieder mehr MRT-Aufnahmen pro Tag. Obermayr: »Etwas, das zuvor noch Angst gemacht hatte, wurde verkehrt in etwas, woran die Kinder Freude haben. Das ist Innovation, die sich aus Empathie speist.«
Druckindustrie: Adventure Series MRT von General Electrics Healthcare.
Adventure Series MRT von General Electrics Healthcare. (Bild: GE Healthcare)

 

  • 2 – Agilität
    Also Beweglichkeit, Dynamik und Schnelligkeit, um die Empathie auch »auf die Straße zu bringen«. Hierfür notwendig ist laut Georg Obermayr die richtige Unternehmenskultur sowie die richtigen Prozesse.
    In der heutigen Arbeitswelt werde noch nach seriellen Fertigungsprozessen gearbeitet, also wie bei einem Wasserfall, von oben nach unten bzw. eins nach dem anderen. Dies gelte fürs Marketing gleichermaßen wie für Produkte und Dienstleistungen, die angeboten werden. »Das große Problem dabei ist nur«, so Obermayr, »dass alle fälschlicherweise denken, man wäre irgendwann fertig damit – und deshalb wollen alle alles einhundertprozentig perfekt haben. Entsprechend langsam und korrekturintensiv sind diese Prozesse.«
    Viel cleverer wäre es aber, eine grobe Zielvorgabe zu verfolgen, interdisziplinär an einem Projekt zu arbeiten und mit schnellen und kurzen »Sprints« ein Produkt zügig zu entwickeln und herauszubringen. Scheitern sei dabei Teil des Plans, da es ständige Verbesserung in Form einer Dauer-Iteration erlaubt. »Uns muss allen klar sein: Digital ist niemals fertig, denn die nächste Disruptionswelle folgt sogleich! Was wir also brauchen ist eine Haltung von konstanter Weiterentwicklung. Perfektion kann und darf nicht unser Ziel sein, denn bis wir dort ankommen, ist der nächste neue Markt immer schon wieder weg!« Dass dies (vor allem hierzulande) ein großer Bruch in der wirtschaftlichen Denke ist, dessen ist sich Obermayr natürlich bewusst.
    Und rein technisch? »Wer beweglich sein will, muss weg von riesigen, trägen Softwaresystemen«, weiß der bayerische Medienprofi. »Schon jetzt zeigt sich, dass der Best-of-Breed-An­satz hier deutlich zielführender ist.« Will heißen: Viele kleine, schlanke und spezialisierte Softwaresysteme einzusetzen, die einen Datenaustausch über APIs erlauben und das Unternehmen beweglicher und agiler machen – und zugleich weniger abhängig von einem Hersteller. Entsprechend einer neuen Unternehmenskultur ließe sich dann auch innerhalb der Prozesse schneller agieren und Dinge ausprobieren, bei deutlich weniger Aufwand, der zu betreiben ist. Und: Das »Gesamtsystem« bleibt in dieser Zusammensetzung viel flexibler für nachfolgende Veränderungen, die definitiv kommen werden.

 

  • 3 – Horizontalität
    Der dritte Erfolgs-Baustein ist der notwendige »ökonomische Sprung« in der digitalen Transformation. In der heutigen Wirtschaft herrschen vertikal-integrierte Unternehmen vor, mit dem Ziel, Prozesse im Betrieb zu integrieren, Abteilungen zu vernetzen, Effizienzsteigerungen durch Automatisierung zu realisieren, um schneller und günstiger zu werden, so Obermayr. »Dies jedoch ist Standard für den nächsten Schritt – den Sprung zur Plattform – und muss deshalb schnellstmöglich bei allen umgesetzt werden, die da noch hintendran sind. Denn der Sprung zur Plattform entsteht erst durch horizontale Vernetzung mit anderen Unternehmen, Part­nern, Lieferanten, Herstellern und Kunden. Und erst aus dieser Vernetzung heraus können neue Produkte, Dienstleistungen und komplett neue Wertschöpfungsketten entstehen.«
    Einer der technischen Treiber in diesem Bereich sei das Internet of Things (IOT), das die Kommunikation jeglicher Geräte über eigene Internetanschlüsse ermögliche. Über Schnittstellen (APIs) seien künftig »intelligente« Geräte im ständigen Dialog, Bauteile verfügten über ein digitales Monitoring. All dies werde für noch mehr Effizienz, weniger Kosten und weniger Personalaufwand sorgen, so Obermayr. »Viel entscheidender aber ist, dass aus reinen Geräteherstellern plötzlich Dienstleister werden – mit andauerndem Kundenkontakt und der Möglichkeit, sich ganz neue Wertschöpfungsketten zu erschließen. Aus dem einzelnen Produkt kann so eine Plattform werden, die mit dem Produkt längst nicht mehr abgeschlossen ist, sondern sich an allen Gebrauchszyklen (zum Beispiel Service etc.) orientiert und auch an diesen entlang Wertschöpfung erzielen kann. Die Druckindustrie steht also vor der Aufgabe, vertikal-integrierte Unternehmen so umzubauen, dass aus horizontaler Integration ganz neue Wertschöpfung ge­schaffen werden kann.«
    Daten sind auf diesem Weg der Rohstoff, APIs die Verbindung, so Obermayr. Es sei dringend eine neue Unternehmenskultur gefragt, Druckereien dürften künftig nicht mehr nur Produkte verkaufen, sondern müssten versuchen, in ihrem Metier Teil der ganzen Wertschöpfung und Teil der Infrastruktur zu werden. [10894]

 

Und was weiß Georg Obermayr sonst noch so über die Digitalisierung der Branche zu berichten?
Lesen Sie den kompletten Artikel in der aktuellen Ausgabe Nr. 22/2019 von Deutscher Drucker:

 

PDF-Download: Deutscher Drucker 22/2019

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