Druckerei kämpft mit nicht akzeptablen Färbungsschwankungen
von Michael Kirmeier,
Die Aufgabenstellung für eine Beweisaufnahme lautete, den technischen Ist-Zustand einer neu installierten Bogenoffset-Maschine im Rahmen eines Ortstermins aus Sachverständigensicht zu dokumentieren. Hintergrund für die Beauftragung zum Gutachten waren erhebliche Produktionsstörungen und -ausfälle, die laut Auftraggeber seit Inbetriebnahme der Druckmaschine bestanden und auf eine nicht sachgemäße Aufstellung der Druckmaschine durch den Lieferanten zurückzuführen sind.
Im Einzelnen wurde bemängelt, dass es nach dem Einstellen der Farbgebung nicht möglich sei, diese konstant zu halten. Die Farbe drifte bereits nach etwa 300 Bogen ab und sei nahezu nicht mehr nachzustellen bzw. konstant zu halten. Eine wirtschaftliche Produktion sei aufgrund zahlreicher Maschinenstopper wegen erforderlicher Waschintervalle, wegen zahlreicher Versuche, die Farbeinstellung zu korrigieren und wegen genereller Bemühungen, das Problem zu beheben, unmöglich. Eine vertragsmäßig festgehaltene Abnahme der Druckmaschine nach technischen Richtlinien gemäß BVDM/Fogra durch ein neutrales Institut, konnte aufgrund der bestehenden Mängel bisher nicht vorgenommen werden bzw. war nicht sinnvoll. Durch die Beweisaufnahme sollte somit die Grundlage für eine rechtliche Auseinandersetzung gegeben werden.
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Beobachtungen zum Ortstermin
Zum anberaumten Ortstermin erfolgte der Druck einer Testauflage, die vor Ort zunächst visuell ausgewertet wurde. Dabei bestätigten sich visuell die von der Druckerei beanstandeten, massiven Farbschwankungen innerhalb der Auflage.
Weiterhin ergaben sich daraus die Erkenntnisse, dass die Farbschwankungen weder auf Schieben, noch auf Dublieren zurückzuführen sind. Die Drucke zeigten weiterhin in allen Druckwerken ein deutliches Schablonieren. Weitere Beobachtungen ergaben, dass das Feuchtmittel im Feuchtmittelbehälter eine extreme Schaumbildung (Abb. 1) und eine „Verseifung“ aufweist, dass also insgesamt offensichtlich eine starke Kontamination des Feuchtmittels besteht.
Densitometrische Auswertung der Testdrucke
Aus dem bedruckten Stapel der Testauflage wurden hintereinanderliegende Bogen entnommen, die man im Labor einer densitometrischen Prüfung unterzog. Es wurden dabei die Farbdichten im Vollton und die Tonwertzunahmen im 40 %-Ton der Einzelfarben: Schwarz, Cyan, Magenta, Gelb jeweils an der Greiferkante und am Bogenende an fortlaufenden Bogen ausgewertet. Das Ergebnis war schockierend. Sowohl die Werte für die Farbdichten als auch die Werte für die Tonwertzunahmen schwankten in allen Einzelfarben extrem (Abb. 2). Speziell die Werte für die Tonwertzunahmen bzw. insbesondere die Schwankungen der Werte würden sich in allen Einzelfarben weit außerhalb der Technischen Richtlinien für die Abnahme von Bogenoffsetmaschinen nach BVDM/Fogra befinden. Es befinden sich weiterhin die Werte für die Tonwertspreizung außerhalb der Vorgaben nach BVDM/Fogra. Die festgestellten Schwankungen in der Volltondichte und in der Tonwertzunahme waren eindeutig als Ursache für die genannten Färbungsschwankungen innerhalb einer Druckauflage zu nennen.
Die Suche nach der Ursache
Nach weiterer Ursachenforschung in Zusammenarbeit mit einem freien Berater für Druckmaschinen konnte festgestellt werden, dass der Rakelvorgang in der automatischen Walzenwaschanlage aufgrund einer schlechten Justierung der Walzenwaschanlage, insbesondere der Rakel, unzureichend abläuft. Dadurch gelangt bei jedem Waschvorgang offensichtlich eine große Menge an Waschmittel in Verbindung mit Druckfarbe in den Feuchtmittelkreislauf, was zur festgestellten Kontamination des Feuchtmittels führt. Die Funktionalität des Feuchtmittels wird extrem herabgesetzt. Bestätigt wurde dies auch durch Messungen des Leitwertes im Feuchtmittel, welcher sich mit fortlaufender Produktionsdauer immer stärker erhöhte.
Weiterhin gelangt das mit Waschmittel kontaminierte Feuchtmittel über den üblichen Transportweg auch in die Druckfarbe und ändert die Konsistenz der Druckfarbe. Offensichtlich dadurch war ein übermäßiges Nebeln der Druckfarbe entstanden, welches zu einer unüblich starken Verschmutzung der Druckmaschine führte.
Im Rahmen der Ursachenermittlung konnten auch noch weitere, zum Teil gravierende und sicherheitsrelevante Mängel an der Druckmaschine aufgedeckt werden. So waren zum Beispiel ein Großteil der Walzen in den Farb- und Feuchtwerken nicht richtig justiert und zum Teil die Farbauftragswalzen mit falschen Walzenmaterialien bezogen. Außerdem konnte festgehalten werden, dass die Grundjustage der Feuchtwerke nicht optimal war. Außerdem fand sich noch ein Wasserschlauch (4 bar!!), welcher mit einem Keilriemen in direktem Kontakt stand und bereits angeschliffen war. Beim Platzen des Wasserschlauchs wäre das Wasser direkt über einen Elektromotor gelaufen.
Fazit
Durch die beweissichernde Produktionsbegleitung konnte aus Sachverständigensicht bestätigt werden, dass aufgrund der aufgeführten Ursachen das gesamte Farbe/Feuchtmittel-Gleichgewicht in der streitgegenständlichen Druckmaschine empfindlich gestört wird, was zu den genannten Problemen in der Farbgebung führt und ein produktionsgerechtes, wirtschaftliches Drucken unmöglich macht. Da die aufgeführten Mängel seit Inbetriebnahme der Druckmaschine bestehen und offensichtlich durch eine nicht sachgemäße Aufstellung der Druckmaschine verursacht wurden, konnte durch das Gutachten eine Grundlage für das rechtliche Vorgehen gegenüber dem Lieferanten der Druckmaschine gelegt werden.
Michael Kirmeier, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Qualitätsbeurteilung von Druckerzeugnissen, betreibt ein Sachverständigenbüro in München und ist für die Firma Prüfbau tätig.