Druck und Medien und Papier- und Kunststoffverarbeitung in Baden-Württemberg
dmpi-Industrieverbände kritisieren Energiepolitik: „Es dauert alles viel zu lange“
von Redaktion,
In Stuttgart kamen die Mitgliedsunternehmen der dmpi-Industrieverbände zu ihrer Jahrestagung zusammen. Im Rahmen der Gremienwahlen wurden Sven Schneller (Geschäftsführer der Herma GmbH) und Hartmut Villinger (Geschäftsführer der Druckhaus Waiblingen Remstal-Bote GmbH) als Vorsitzende der Verbände bestätigt. Was die Jahrestagung deutlich machte: Die Unternehmer der Printmedien- und Papier verarbeitenden Industrie wollen den historischen Herausforderungen auf jeden Fall trotzen.
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Sven Schneller zeigte in seinem Statement Zuversicht in historisch schwierigen Zeiten für die gesamte deutsche Wirtschaft: „Nennen Sie mich einen trotzigen Optimisten, aber in einem bin ich mir sicher: unsere Branchen haben die Kraft, auch diese Krise zu meistern. Wir werden uns durch eine Energiekrise in Europa nicht den Wettbewerbern aus Asien ergeben“.
Zügige Umsetzung der Vorschläge der Gaspreiskommission gefordert
In diesem Zusammenhang fordert dmpi-Geschäftsführer Dr. Alexander Lägeler die nunmehr zügige Umsetzung der Vorschläge der Gaspreiskommission: „Es dauert alles viel zu lange. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb man nicht schon seit Monaten vorbereitet hat, was man im Fall explodierender Energiepreise zu tun gedenkt“. Auch dass die Entlastungen für KMU nach den Vorschlägen der Gaspreiskommission im Wesentlichen erst ab März 2023 greifen sollen, stößt auf Kritik beim dmpi.
Energiewende im Realitäts-Check
Das Thema Energiesicherheit beherrschte auch das Fachprogramm am Nachmittag. Referenten wie Dr. Stefan Kaufmann, bis vor kurzem Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“ der Bundesregierung, und Prof. Franz Josef Radermacher, Leiter des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung, machten sich an einen fesselnden Realitätscheck der deutschen Energiewende in der globalen Wirklichkeit: „Wissenschaftlich fundiert oder politisch ideologisiert?“, lautete die Frage. Die Herausforderungen sind gigantisch: Im Moment liegt der Anteil der Erneuerbaren am Primärenergieverbrauch in Deutschland gerade mal bei 16 Prozent.
Zukunftsperspektive Grüner Wasserstoff
Eine Lösung sehen viele im Energieträger Wasserstoff. In seinem Vortrag „Vom Champagner der Energiewende zum Allheilmittel: Ist die aktuelle Politik kraftvoll genug für den Umstieg in eine globale Wasserstoffwirtschaft?“ gab Kaufmann einen Überblick über die momentan noch zu geringen Mengen des erzeugten Gases. Für eine rasche Klimaneutralität und die Überwindung der Abhängigkeit von Erdgaslieferungen müsse der Prozess massiv beschleunigt werden. Weltweit könnten viele Länder, in denen es deutlich mehr Wind und Sonne als in Europa gibt, grünen Wasserstoff günstig produzieren. Dort müsse die Industrie zur Herstellung jedoch erst noch aufgebaut werden. Darin sieht Kaufmann eine Chance für deutsche Unternehmen: Technologisch sind sie weltweit führend und könnten gegen Abnahmeverträge den Aufbau leisten. Bleibt der Transport – noch sind keine geeigneten Möglichkeiten vorhanden. Den Ausbau einer passenden Infrastruktur voranzubringen sei dringend notwendig und eine Aufgabe für die Politik.
Pragmatismus mit Carbon Capture
Prof. Radermacher startete mit einer provozierenden Frage: „Befinden wir uns in einem Illusionstheater?“ Die Politik erkläre zwar ausführlich, wie an beschlossenen Klimazielen gearbeitet wird, erreiche sie mit den aktuellen Maßnahmen jedoch nicht und überschätze die Bedeutung von Wasserstoff und erneuerbarer Energien. Beispielsweise lassen sich gar nicht so schnell so viele Windräder bauen, wie für die Substitution von Kohlekraftwerken benötigt würden. Pragmatisch schlägt Radermacher vor, stattdessen vorhandene Technologien wie Atomkraft weiter zu nutzen und fossile Energieträger durch Carbon Capture CO2-neutral und somit klimafreundlich einzusetzen. Auch Verbrennermotoren könnten bereits heute mit synthetischen Kraftstoffen wie Methanol klimaneutral fahren.
Personalgewinnung in Krisenzeiten
Der Arbeitnehmermarkt scheint leergefegt, Fachkräfte und Auszubildende sind schwer zu gewinnen. Gemeinsam mit Mitgliedsunternehmen entwickelten die dmpi in 2022 weitere Unterstützungsangebote für die Personalgewinnung. Rüdiger Vogel und Melanie Erlewein stellten die neuen Tools, Trainings und Services vor. Am Bedarf der Unternehmen ausgerichtet und entlang der mehrstufigen „Candidate-Journey“ wurden Maßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit und Attraktivität von Arbeitgebern erprobt und als modular aufgebaute Service-Pakete allen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Das positive Feedback der teilnehmenden Unternehmen bestätigt: Ja, es funktioniert. Schritt für Schritt sorgen Analysetool, suchmarktorientierte Stellenausschreibung und dmpi-Plattform für mehr und passendere Bewerbungen.