Mitten in der Göttinger Innenstadt sitzt der Steidl Verlag. Verlagsgründer Gerhard Steidl ist in seiner Heimatstadt sicher kein unbekannter Mann. Seit 1993 hält er die weltweiten Rechte am Werk von Günter Grass. Zudem gilt Steidl international betrachtet als der bedeutendste Verleger von Fotokunst in Buchform. Fotokünstler aus der ganzen Welt reisen nach Göttingen, um mit Steidl zu arbeiten.
Schon im Alter von 18 Jahren gründete er 1968 einen eigenen Verlag und richtete eine Siebdruck-Werkstatt ein. Ab 1972 arbeitete er für Joseph Beuys. Obwohl er den Beruf des Druckers nie erlernt hat, wurde er 1974 als Siebdruck-Meister in die Handwerksrolle eingetragen, ein fast einmaliger Vorgang im strengen deutschen Meisterrecht.
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Seinen internationalen Durchbruch verdankt er seinen 1993 begonnenen Arbeiten für Karl Lagerfeld – den Fotografen, versteht sich. Zwei Imprint-Verlage gründeten sie zusammen, im Verlag L.S.D agierte Lagerfeld höchstselbst als Programmchef.
Obwohl Steidl mit seiner Arbeit Fotografen weltweit inspiriert, sieht er sich nur als ihr Drucker. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn im Hinterhof seines Verlages betreibt er eine eigene Druckerei, in die im Mai eine manroland R706 Evolution Elite Einzug gehalten hat, eine 2,5 Mio Euro-Gesamtinvestition. In einem Gespräch mit dem Göttinger Tageblatt nannte Steidl sie nach dem Aufbau unbescheiden „die beste Offset-Druckmaschine der Welt“.
Ein Lob, das Markus Tschepke, Geschäftsführer der manroland sheetfed Deutschland GmbH, schon ein bisschen verlegen macht. „Wir haben uns sehr intensiv mit den Anforderungen und Wünschen Herrn Steidls auseinandergesetzt, so, wie wir dies bei jedem Kunden tun. Dass er mit unserer Maschine offensichtlich zufrieden ist, ist natürlich die beste Bewertung, die wir für unsere Arbeit bekommen können.“
Offsetdruck am Höhepunkt
Im Gespräch mit der Grafischen Palette erklärt Gerhard Steidl, warum er nun in den Offsetdruck und die mit sechs Druckwerken ausgestattete Maschine von manroland sheetfed investiert hat.
„Ich bin der festen Überzeugung, dass der Offsetdruck heute am Höhepunkt seiner technischen Entwicklung angelangt ist. Die Qualität ist nach meiner Überzeugung, wenn man die richtigen Papiere, Farben, Platten und so weiter benutzt, genau so gut wie die Gravurtechnik der 1960er-/70er-Jahre.“ Viele Künstler, deren Werke er verlegt, gehen sogar so weit zu sagen, Offsetdruck sei besser.
„Die Gravurtechnik hatte einen gewissen Schmelz, sie konnte sehr weich sein, sie konnte sehr kontrastreich sein, die Ergebnisse waren oft wunderschön, aber all das kann ich heute im Offsetdruck genauso nachbilden, wie so viele andere Verfahren auch“, erklärt Steidl.
Qualitativer Quantensprung
Gerhard Steidl ist ein Perfektionist. „Wenn wir einen Buchumschlag haben, stecken da oft 30 Stunden Bearbeitungszeit drin. Gerade bei der Schwarzweißfotografie kommt es auf Nuancen an, und ich gebe erst mein Okay, wenn das Bild für mich perfekt ist.“
Das gilt sowohl für die Darstellung auf dem Bildschirm als auch für das Druckbild auf dem Papier: „Wenn ich dieses Bild dann im Triton drucke, muss
ich halt auch an der Maschine etwas experimentieren. Nehme ich zwei schwarz und einmal grau oder zwei grau und einmal schwarz? Bei meiner alten Maschine kamen locker 500 Bogen Makulatur zusammen, bis wir da waren, wo wir hinwollten.“ Doch damit war der Kampf längst noch nicht beendet. „Wenn der Druck begann, konnte es während der Auflage jederzeit wieder zu Abweichungen kommen.“
„Das passiert bei der neuen Maschine nicht mehr“, erklärt Markus Tschepke, denn die manroland R706 Evolution Elite verfügt über eine integrierte Farbmessung und -regelung (InlineColorPilot). „Und diese Inline-Messung“, berichtet Gerhard Steidl aus seiner täglichen Arbeit mit dem neuen Drucksystem, „ist sensationell; es werden die Bögen inline gemessen und schon die allerkleinste Abweichung wird sofort automatisch korrigiert.“
Den Kameras entgeht keine Farbabweichung. „Diese Sicherheit vor allem beim Druck hoher Auflagen ist unbezahlbar.“
Apropos unbezahlbar: „Wir sparen sehr viel Energie ein. 95 Prozent des Stromverbrauchs unseres Verlagshauses entfällt auf die Druckerei und ihre Maschine. Wir rechneten vor den Strompreiseskapaden mit 10.000 Euro im Monat. Das hat sich halbiert, was unter anderem mit dem Kompressor und dem PIAP-System zusammenhängt. Es gibt keine Abwärme und auch weniger elektrisch angetriebene Mechanik; die gesamte Elektrotechnik ist viel intelligenter geplant als bei vergleichbaren Maschinen. Sie ist auch leiser. Bei der alten Maschine habe ich gebrüllt, wenn ich Anweisungen gab, jetzt spreche ich ganz normal und werde verstanden.“
Bitte ohne Lackmodul!
Markus Tschepke gibt zu, dass er sich über einen Sonderwunsch seines Göttinger Kunden gewundert hat: „Wir sollten auf das Lackmodul verzichten.“ Was man nun wirklich nicht alle Tage erlebt. Doch Gerhard Steidl hat dafür eine Erklärung. „Wir arbeiten grundsätzlich nur mit Öldrucklack. Ein philosophischer Ansatz unseres Hauses lautet, dass Bücher Objekte für viele Sinne sein müssen. Nicht nur fürs Sehen, sondern auch fürs Anfassen und den Geruch. Als Verlag sind wir Teil einer Unterhaltungsindustrie und so, wie ein Regisseur ein Theaterstück für alle Sinne inszeniert, sollte auch ein Buch die Sinne verzaubern. Dementsprechend muss ein Buch auch gut riechen. Ein frisch gedrucktes Buch soll doch schon beim Anfassen Freude erzeugen.“
Gerhard Steidl experimentiert daher seit Jahrzehnten mit verschiedenen Öldrucklacken auf verschiedenen Papierarten, um immer auch ein Erlebnis für die Sinne zu kreieren: „Der Aufwand ist enorm und natürlich auch mit hohen Kosten verbunden. Das könnte ich mir natürlich sparen. Wenn ich Dispersionslack verwenden würde, käme der so behandelte Bogen fertig aus der Maschine; ich könnte ihn dann direkt auf der Rückseite bedrucken, auf eine Palette legen und sofort in die Buchbinderei transportieren. Bei manchen schwierigen Papieren hingegen warte ich ohne den Einsatz von Dispersionslack anderthalb Tage, bis sie trocken sind. Dafür brauche ich Lagerraum. Einfach ist das nicht. Das ist es mir aber wert.“
Etwa 200 Bücher produziert der Steidl Verlag im Jahr. Die Anschaffung einer neuen Maschine hat auch mit dem Alter des Verlegers zu tun. „Ich möchte einfach in den nächsten Jahren meine Ruhe haben.“ Das ist aber nicht der einzige Grund. „Man muss leider sagen, dass die Industrie die Kunst nicht liebt. Sie liebt den Profit. Wenn die Industrie sich eines Tages entscheiden sollte, dass sich der Aufbau von Offsetmaschinen nicht mehr lohnt und alles digital wird, dann möchte ich nicht, dass es uns so geht wie den Gravurdruckern in den 1970ern, als sie verschwanden.“
Fazit
Gerhard Steidls Erfahrungen mit manroland sheetfed waren bislang bestens, resümiert der Verleger. Aufbau, Wartung, da gebe es absolut „nichts zu meckern“. Installation inklusive Inbetriebnahme der Maschine nahmen lediglich drei Wochen in Anspruch – alles problemlos. Insofern rechnet Steidl auch fest damit, dass die Maschine in den nächsten 15 Jahren ihren Job ebenfalls ohne nennenswerte Probleme erledigen wird: „Dann bin ich 85. Ob ich mir dann noch einmal eine neue Maschine kaufe, weiß ich aber noch nicht.“ manroland sheetfed stünde aber dafür definitiv bereit.