Die Druckweiterverarbeitung in post-pandemischen Zeiten

Das aktuelle Interview – mit Hans-Peter Schöllhorn (Hohner Maschinenbau)

Hans-Peter Schöllhorn, geschäftsführender Gesellschafter der Hohner Maschinenbau GmbH (Tuttlingen).

Wie hat sich die drahtheftgebundene Druckweiterverarbeitung nach der Pandemie entwickelt? Wo liegen die neusten Trends und Schwerpunkte? Das – und einiges mehr, wollte die Grafische Palette von Hans-Peter Schöllhorn, geschäftsführender Gesellschafter der Hohner Maschinenbau GmbH, wissen.

Grafische Palette: Herr Schöllhorn, Sie leiten das Familienunternehmen, das Ihr Großvater gegründet hat, in dritter Generation und dies seit Anfang 2020 als alleiniger Gesellschafter. Was waren Ihre Gedanken, als kurz nach der 100-prozentigen Übernahme des damals 90 Jahre bestehenden Betriebs die Pandemie ausbrach?

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Hans-Peter Schöllhorn: Wir hatten zu diesem Zeitpunkt gerade begonnen, uns für die Zukunft anders aufzustellen und massive Umstrukturierungsmaßnahmen gestartet; weg von einer viel zu aufwendigen Fertigungstiefe, Auslagerung der Dreherei, ein modernes robotergesteuertes CNC-Fertigungszentrum und ein extrem zukunftsorientiertes, neues Sammelhefterkonzept – all dies befand sich in der Umsetzungsphase, als die Bombe des Lockdowns einschlug. Natürlich waren das sehr bewegte Zeiten für die gesamte Branche; aber wir haben immer an unsere Produkte geglaubt und versucht, diese Phase als Chance zu sehen, uns effizienter aufzustellen.

Die Tatsache, dass wir die HHS Futura bereits konzipiert und in der Pipeline hatten, war im Nachhinein vermutlich der entscheidende Grundstein für unsere Zukunft.

Grafische Palette: Was hat sich heute, drei Jahre später, in Ihrem Haus durch die pandemische Krise verändert?

Hans-Peter Schöllhorn: Geblieben ist eine Unternehmenskultur, die durch einen Mix aus Tradition und Innovationsgeist gekennzeichnet ist. Aber geändert hat sich natürlich der gesamte Arbeitsmarkt. Die Pandemie hat eine andere, viel stärker an der Work-Life-Balance orientierte Grundeinstellung bei den Beschäftigten erzeugt. Man hat das Home Office für sich entdeckt, empfindet längere Anfahrtswege zum Arbeitgeber anders als früher und wechselt den Job heute oft für ein paar Euro mehr, ohne die restlichen Rahmenbedingungen genau zu kennen. Hohner steuert dieser Situation mit eigenen Auszubildenden entgegen; zudem müssen wir uns alle flexibler und moderner aufstellen. Hinzu kommen der Fachkräftemangel und eine neue Vorgehensweise im Bewerbungsprozess; etwa 70% der Bewerber kommen heutzutage über Personalvermittler, was für uns Unternehmen nicht unerhebliche Zusatzkosten mit sich bringt.

Auch die Lieferkettenprobleme beschäftigen uns seit 2020 massiv und nehmen leider vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Lage auch nicht ab. Die Sicherung der Lieferfähigkeit geht mit hohen Lagerbeständen und allem, was dazu gehört, einher – insbesondere bei Elektro- und Elektronik-Komponenten.

Grafische Palette: Und wie hat sich die Branche bzw. Ihr spezifisches Marktsegment durch die Krisenjahre verändert?

Hans-Peter Schöllhorn: Als erstes sind da einige traurige Insolvenzen in unserer Kunden-Zielgruppe, das heißt Druckereien und Buchbindereien, zu verzeichnen. Andererseits erleben wir auch Konzentrationsbewegungen, und dies nicht nur bei Online-Druckereien. Fusionierungen, Aufkäufe von Mitbewerbern etc. machen es Kunden leichter, durch die Nutzung von Synergien oder komplementären Fertigungsprozessen stärker und wirtschaftlicher zu werden.

Aber die wesentlichste Veränderung ist der „Push“, den die Nachfrage nach digitaler Verarbeitung durch die Pandemie erlebt hat. Ob nun allein die Rohstoffknappheit und das Umweltbewusstsein dazu geführt haben, ist schwer zu sagen. In jedem Fall haben beide Faktoren diesen Trend beschleunigt.

Grafische Palette: Wie ist das zu verstehen? Was sind denn die Vorteile der digitalen Verarbeitung und inwiefern können diese die Auswirkungen der Krise abschwächen?

Hans-Peter Schöllhorn: Dazu muss man verstehen, welche Chancen und Potenziale die digitale Verarbeitung bietet. Egal, ob von der Rolle oder vom Flachstapelanleger hat man beispielsweise auf unserer HHS Futura die Möglichkeit, Produkte mit personalisiertem Inhalt auf den Verbraucher zugeschnitten zu fertigen; und das bereits ab „Auflage 1“. Endlos gedruckt auf der Rolle oder auf dem Bogen können hierbei die Inhalte, über Datamatrix-Codes gesteuert, prozesssicher zu Druckerzeugnissen verarbeitet werden, bei denen je-des Heft vom Inhalt her variieren kann. Und das eröffnet neue Möglichkeiten und spart zudem Papier.

Denken wir beispielsweise mal an Bedienungsanleitungen von individuell konfigurierten PKWs. Warum sollte man weiterhin einen dicken Wälzer mit allen möglichen Ausstattungsvarianten drucken, wenn es auch individuell geht?

Konfigurier- und erweiterbares, modulares Maschinenkonzept HHS Futura im Sammelhefterbereich von Hohner Maschinenbau (hier in Vollausstattung).

Grafische Palette: Das klingt natürlich sinnvoll. Aber ist so etwas in der Produktion wirtschaftlich?

Hans-Peter Schöllhorn: Wäre es das nicht, wäre die Nachfrage nach der Futura wohl nicht so groß. Gerade bei der Verarbeitung von der Rolle ist es denkbar, dass ein einziger Mitarbeiter sogar zwei dieser Maschinen parallel bedienen kann. Das spart Personal. Auch das Zwischenlagern von Sequenzen oder gefalzten Bögen entfällt; die Druckrolle oder die bedruckten Bögen können direkt „nearline“ verarbeitet werden, was die Durchlaufzeit verkürzt.

Im Falle der Hohner Futura kommt noch hinzu, dass dieses Konzept völlig modular ist und sowohl als Digifinisher als auch als konventioneller Sammelhefter ge-nutzt werden kann. Die vielen, inzwischen über sechs Beschickungsmöglichkeiten, die sich in der Verarbeitung dabei bieten, bedeuten nicht nur langfristige Flexibilität und modulare Nachrüstbarkeit, sondern bieten auch ein vielfältigeres Fertigungsspektrum. Kreuzbruchlösung, Falzhefterfunktion und Zusammentragtürme inklusive.

Das heißt unter dem Strich: Wer nicht genau weiß, wo die eigene Verarbeitung sich hinentwickelt, hält sich mit der HHS Futura alle Wege für die Zukunft offen. Insofern ist dieses Maschinenkonzept auch nachhaltig, da mit gleicher Grundkonfiguration langfristig erweiterbar. Darüber hinaus entspricht das Konzept durch den Einsatz modernster Antriebs- und Steuerungstechnologie auch dem heutigen Anspruch an Energieeffizienz.

Grafische Palette: Und Sie registrieren in diesem Bereich eine verstärkte Nachfrage?

Hans-Peter Schöllhorn: Ja, ganz eindeutig! Digitallösungen machen zwischen 60–70% in unserem Auftragsvolumen aus. USA, Europa, China sind hier gleichermaßen aktiv. Außerdem nimmt die Vernetzung aller Fertigungsprozesse in Druckereien zu, die bei der Futura dank offener Schnittstellen ebenso gewährleistet ist. Die Stichworte „MIS“ und „Konnektivität“ fallen in Kundenanfragen immer häufiger. Wir integrieren problemlos auch andere Komponenten und Arbeitsschritte in unserer Steuerung, was eine noch höhere Effizienz und Produktivität ermöglicht.

Neues, roboterbetriebenes CNC-Bearbeitungszentrum von Hohner, geliefert von der Maschinenfabrik Hermle. (Bild: maikgoering photography)

Grafische Palette: Um welche Fertigungsschritte kann es sich dabei handeln?

Hans-Peter Schöllhorn: Zum Beispiel Kartenkleber, Auslagesysteme und andere Verpackungsmaschinen. Das Thema Vernetzung steht im Übrigen auch bei allen unseren Partnern der Postpress Alliance, zu der wir uns mit den Marken baumannperfecta, Bograma, H+H, MBO und Wohlenberg 2019 zusammengeschlossen haben, stark im Fokus. Das wird auch auf der drupa 2024 – neben der Automatisierung – ein wichtiges Thema sein. Aber mehr wollen wir zur drupa an dieser Stelle noch nicht verraten.

Kontakt:

Hohner
www.hohner-postpress.com