Vom preisgekrönten Azubi, der eigentlich Künstler ist
von Michael Schüle,
Jona Köpf kann sich bei seinen Arbeiten als Künstler auf sein kreatives Bauchgefühl verlassen. Aber auch auf das Wissen aus seiner Ausbildung in der Druckindustrie als Mediengestalter. Das hat ihm bereits Preise eingebracht – und bewundernswerte Anerkennung in der Kreativ-Community.
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Fasziniert von der Komplexität der Druckindustrie
„Ja und dann stand ich da auf der Bühne des BCC, des Berlin Congress Center, und hatte plötzlich die Urkunde als Bundessieger in der einen und einen Pokal in der anderen Hand“, erinnert sich Jona Köpf grinsend. Ziemlich genau ein Jahr ist es nun her, dass der heute 21-Jährige bei der Deutschen Meisterschaft im Handwerk (DMH) als bundesweit bester Mediengestalter des Jahrgangs 2023 ausgezeichnet wurde. Zuvor hatte er sich mit seinem „Gesellenstück“ und dem guten Abschluss-Notenschnitt schon auf Handwerkskammer- und Landesebene durchgesetzt. Koordiniert werden diese „praktischen Leistungswettbewerbe der deutschen Handwerksjugend“ vom Zentralverband des Deutschen Handwerks – mit abschließender Ehrung aller Bundessieger in der Bundeshauptstadt.
„Ich war total perplex, als ich einen Anruf bekam,
ich hätte schon wieder gewonnen und wäre nun Bundessieger.
Noch während der Preisübergabe in Berlin dachte ich:
Die veräppeln dich hier, das ist versteckte Kamera!“
Berufliche Weichenstellung – ausgerechnet auf dem Friedhof
Seine Ausbildung bestritt der künstlerisch hochbegabte Jugendliche bei der Heinerich GmbH in Pleidelsheim, einem Flexoklischeehersteller für den Wellpappendirektdruck. Auch wenn er eigentlich Fotograf werden wollte. „Nach der Realschule habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Kindergarten absolviert, weil ich meine Sozialkompetenz weiter verbessern wollte“, erinnert sich Jona Köpf. Und dann kam die Sache mit dem Friedhof. „Durch Zufall traf meine Oma bei der Grabpflege auf einen alten Bekannten, dem sie erzählte, dass ich auch den Ausbildungsberuf des Mediengestalters spannend fände. Tatsächlich war ich auf einer Berufsmesse in Ludwigsburg darauf aufmerksam geworden und hatte mich schon beim SWR und in kleineren Agenturen beworben.“ Eher untypische Informationswege, die der damals 18-Jährige beschritt, möchte man meinen. „Aber ich gehe da prinzipiell eher traditionelle Wege“, berichtet Köpf, „und bin auf den sozialen Medienkanälen wie TikTok oder Facebook eher nicht so stark vertreten.“
Der Bekannte der Oma war der ehemalige Heinerich-Geschäftsführer und bot ihm auf indirektem Weg ein Praktikum an. „Ich wusste damals überhaupt nicht, was Flexodruck ist. Aber die Kollegen waren alle sehr nett und die Firma befand sich in örtlicher Nähe. Vor allem aber haben mich all diese professionellen Drucktechnologien und ihre Komplexität total fasziniert. Und das tun sie auch heute noch. Ich hatte mich damit vorher überhaupt noch nicht befasst.“ So folgte direkt auf das Praktikum eine Ausbildung zum Mediengestalter Digital und Print (mit Schwerpunkt Printmedien) – und die Fotografie blieb Hobby, vorerst.
„Geprägt hat meine heutige Affinität zur Branche definitiv unser Berufschullehrer Jürgen Zahn an der Johannes-Gutenberg-Schule in Stuttgart, der Interessierten in freiwilligen Digitaldruckkursen zusätzlich zum Lehrplan auch noch die individuelleren Druckverfahren vertiefend nähergebracht hat“, so Jona Köpf. Nebenbei gab es auch noch jede Menge Tipps und Tricks von Tante Andrea, gelernte Siebdruckerin, die beim Druck- und Kreativfarbenhersteller Marabu in Tamm bei Ludwigsburg arbeitet.
Ein kreativer Kopf – in jeder Hinsicht
Jona Köpf ist Naturfreund und unheimlich gerne mit Freunden draußen unterwegs beim trekken. Zudem spielt Sport in seinem Leben eine große Rolle, vor allem das so genannte Calisthetics-Fitnesstraining. Doch seine Leidenschaft gilt der kreativ-künstlerischen Entfaltung – sei es mit dem Fotoapparat, der Videokamera, dem Bildbearbeitungs- und Schnittprogramm am PC oder mit dem Pinsel, beim Malen an der Leinwand. In seine Kunst legt er sein ganzes Herzblut hinein – und ist in der Kreativ-Community längst kein Unbekannter mehr.
„Print ist in der Kreativ-Community gerade wieder ,in‘ – speziell
im Magazin-Design. Auch ich selbst will in den nächsten Jahren
ein Magazin mit meinen Werken publizieren.“
„Schon als kleiner Junge habe ich viel fotografiert, gefilmt und gemalt“, erinnert sich Jona. „In der Realschule hatte sich das ein wenig verflüchtigt, doch mit der Mediengestalterausbildung kam das Kreativ-Gen mit Macht zurück!“ Längst ist Jona Köpf in der Künstler-Szene bestens vernetzt, speziell in der besonders agilen Community Berlins. „Es ist schon unglaublich, welche Leute da inzwischen auf mich zukommen, damit ich sie bei ihren Kreativprojekten unterstütze“, reibt sich Jona die Augen. So arbeitete er jüngst mit dem bekannten stylischen Printmagazin Chrome.Mag zusammen und gestaltete visuelle Inhalte rund um den Sänger/Songwriter Mark Forster und seine Tour. Auch Ski Aggu, einen der bekanntesten deutschen Rapper, setzte Jona Köpf schon in Szene. Allerdings live, bei seinem ausverkauften Auftritt in der Porsche Arena in Stuttgart – in Bild und Bewegtbild. „Im Moment mache ich für den Berliner Schauspieler und Musiker Ritter Lean das komplette Design für sein neues Album (alle Cover) und auch das Vinyl-Design.“ Aus den kleinen Nebenjobs wird langsam mehr, Jona denkt bereits darüber nach, irgendwann ein Gewerbe anzumelden, selbstständig zu sein mit seiner Kunst.
Begrenzen lassen auf emotionale Arbeiten für und rund um die Musikindustrie will sich Jona Köpf aber nicht. Sein Portfolio ist auch deutlich breiter, immer wieder spricht er auch weltpolitische und gesellschaftskritische Punkte an. Auch gibt es für den gebürtigen Steinheimer keine harten Grenzen zwischen analogen und digitalen Medien, nicht umsonst liegt Jona Köpfs Stärke bei der Realisierung von Mixed-Media-Projekten. „Klar ist heute beim Filmen fast alles nur digital, da kann man ja analog nichts vorbereiten, außer vielleicht ein Drehbuch oder Storyboard. Auch beim Fotografieren liegt der Schwerpunkt bei mir schon auf digital, wobei ich aber auch analog fotografiere. Die Grenzen liegen für mich oftmals ganz woanders, insbesondere beim Malen oder der Videoproduktion, wenn einem noch bestimmte Fähigkeiten fehlen, oder man sich an bestimmte Themen einfach noch nicht herantraut, vielleicht auch aufgrund fehlender Lebenserfahrung.“
Erstaunlich, was sich der junge Mann vor dem Hintergrund dieser Einsicht dann aber doch schon zugetraut hat. „Bereits seit einiger Zeit arbeite ich mit dem Fotojournalisten und Antikriegsfotografen Christopher Morris zusammen. Die Kriegsbilder, die er mir zuschickt, sind in der Regel emotional aufwühlend und schockierend. Aber ich habe mich damit auseinandergesetzt und sie dann in meiner Kunst verarbeitet, sodass das Thema dann hoffentlich in der Breite noch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt. Das ist mir wichtig!“
Berufserfahrung sammeln auf dem Weg zur Selbstständigkeit
Nach seiner Mediengestalterausbildung hat sich Jona Köpf eine kleine Auszeit gegönnt, hat seinen Horizont auf Backpacker-Touren durch Portugal, Peru und auf Island erweitert. Und danach seine Pläne für eine Weiterbildung zum Medienfachwirt verworfen. Stattdessen sammelt er jetzt Berufserfahrung, hat bei Iconic Sales in Schorndorf angeheuert, einer Full-Service-Agentur für Amazon Sales. Dort steckt er noch mitten im Onboarding-Prozess. „Die stark wachsende Firma ist in einem boomenden Markt unterwegs, hat ein sehr junges Team, da wollte ich mich unbedingt einklinken. Ich fühle mich dort wohl, habe eine spannende Aufgabe als Grafikdesigner und bin auch schon in erste Projekte mit eingebunden, in denen ich recht selbstständig arbeiten kann. Hier würde ich gerne einige Jahre bleiben.“ Wichtig ist ihm bei der Arbeit ein familiäres Arbeitsklima und die direkte Nähe zu Entscheidern für einen möglichst direkten kreativen Austausch. „In einem großen Konzern zu arbeiten, wäre sicherlich nichts für mich.“
Auch mit seinen privaten künstlerischen Projekten geht es weiter. Der Bundessieg bei der Handwerksmeisterschaft hat Jona ein mit 8.500 Euro dotiertes Weiterbildungsstipendium für drei Jahre verschafft, mit dem er seine Kreativität und sein Know-how kontinuierlich und gezielt schärfen kann. Zuletzt hat er vergünstigt ein Fotografie-Kurs mit eigenem Model gemacht. „Am meisten reizen würde mich noch, ein Siebdruck-Seminar zu belegen, weil ich mich mit den Möglichkeiten dieses spannenden Druckverfahrens noch nicht wirklich viel beschäftigt habe. Da würde ich mich gerne entfalten und auch mal ein Sieb zuhause erstellen.“ Außerdem würde Jona gerne eine Sprachreise mit dem Geld finanzieren.
„Würde man den potenziellen Branchennachwuchs mit Paradebeispielen
wie dem Chrome.Mag, das dem aktuellen Zeitgeist entspricht, ansprechen,
wäre bei den Jugendlichen sicherlich mehr Interesse da, bei
Fertigungsprozessen im Printbereich mitzuwirken.“
Ideale Basis – eine Ausbildung in der Druckindustrie
Hat ihm denn in der Ausbildungszeit nicht das kreative Element gefehlt, wenn man sieht, welche Bedeutung Kreativität heute für seine Kunst und an seinem Grafikdesign-Arbeitsplatz hat? „Falls überhaupt, dann eher bei der Arbeit selbst, wo doch stark nach Corporate Design und Kundenvorgaben gearbeitet werden musste“, erinnert sich Köpf. „In der Berufschule gab es dann aber eine ideale Kombination aus theoretischer Ausbildung und fachlich kreativer Umsetzung in der Praxis im Rahmen von Projektaufgaben wie etwa Designentwicklung oder Broschüren erstellen.“
Von der intensiven Auseinandersetzung mit den Grundlagen von Print, Typografie und Kommunikation während dieser drei Jahre profitiert der Künstler Jona Köpf bei seinen Mixed-Media-Projekten bis heute. Die Herangehensweise bei Konzeptionen, typografische Gestaltung im Allgemeinen (egal ob digitales Medium oder für Print), wie man mit Farbe und Kontrasten umgeht: All das ist bei ihm längst mehr als nur ein Bauchgefühl, sondern unterfüttert mit Basiswissen. Und auch wenn Jona in seinem neuen Job doch stärker auf die Digitalbranche fokussiert ist, hat ihn die Fazination für Print nicht verlassen. „Privat arbeite ich fast täglich mit Print, drucke meine Werke aus, teilweise auch auf Folie, um diese dann leicht verschoben wieder übers Papier zu legen und so neue Kompositionen entstehen zu lassen.“ Zuvor wurden alle Gedanken und Ideen erst einmal zu Papier gebracht, weil ein solcher ,reduzierter‘ Arbeitsanfang eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht (und vielleicht dann auch intensivere Ergebnisse, egal welcher Ausgabemedienkanal).
„In den nächsten Jahren habe ich vor, selbst ein Magazin mit meinen Arbeiten zu layouten und anschließend zu publizieren. Denn Print ist gerade wieder ziemlich ,in‘, gerade im Magazin-Design, Stichwort hochwertige Fashion-Magazine. Auch ich kaufe mir Magazine von Fotografen, weil man die Bilder gedruckt viel bewusster ansieht. Man baut eine Verbindung zum Werk auf, hat eine deutlich längere Fokussierspanne. Am Tablet wird doch alles nur noch in Sekundenschnelle weitergeswiped.“
Branchennachwuchs: fehlender Zeitgeist bei der Ansprache
Für Jona Köpf ist klar: Print, oder besser gesagt emotionale, haptische und individuelle Information auf einem Bedruckstoff, wird es auch in 20 Jahren noch geben. Und Verpackungen. „Ich kann mir zwar schon vorstellen, das bestimmte Druckverfahren aussterben werden, aber der Digitaldruck wird immer stärker werden, auch im Großformat. Man denke nur an Plakate, Banner, Leinwände, Hausabdeckungen oder Großformatwerbung. Oder eben an Bücher, Stichwort bewusstes Lesen. Und: Die Vinylplatte ist wieder voll angesagt, kommt gerade wieder zurück. Wenn ich im Moment mit Künstlern aus der Musikbranche zusammenarbeite, höre ich immer nur von steigenden Verkaufszahlen. Streaming hin, Streaming her. Vor zehn Jahren war das praktisch noch undenkbar und das Druckprodukt Plattencover schon seit Jahren tot.“
Die jüngere Generation, die Digital Natives, haben immer weniger Bezug zu Druckprodukten, ihnen fehle meist auch die Verbindung zur Druckbranche, ist sich Jona sicher. Das Nachwuchsproblem sei aber auch hausgemacht, denn das Interesse an solchen Berufen müsse proaktiver auf den digitalen Medienkanälen angefacht werden. Jona Köpf abschließend: „Eine gelungene Ansprache ist aus meiner Sicht aber nicht nur eine Frage des richtigen Kanals, sondern auch des Stils. So treffen die Macher des besagten hochwertigen und erfolgreichen Only-Print-Magazins Chrome.Mag in Berlin mit ihren Designs und spannenden Künstler-Interviews einfach auch immer den Zeitgeist der Jugend. Würde man mit solchen Paradebeispielen gezielt für das Thema Druck werben, wäre bei der Jugend sicherlich deutlich mehr Interesse da, bei solchen Fertigungsprozessen auch mitwirken zu wollen!“
JONA KÖPF
ist ausgebildeter Mediengestalter Digital und Print, freischaffender Künstler und arbeitet zudem seit wenigen Monaten als Grafikdesigner bei Iconic Sales, einer auf Online-Marketing spezialisierten Amazon-Full-Service-Agentur in Schorndorf bei Stuttgart. 2023 errang er für die Druckindustrie den Bundessieg bei der Deutschen Meisterschaft im Handwerk (DMH), Europas größtem Berufsausbildungswettbewerb.
Das Porträt von Jona Köpf gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über „Menschen in der Druckindustrie“.
Sein Porträt sowie Reportagen über weitere Menschen, deren Herz heftig für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2024 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.