Menschen in der Druckindustrie: Matthias Heinz

Print: Gekommen, um zu bleiben

Druckindustrie: Matthias Heinz, leitender Projektmanager und Prokurist beim Softwarehersteller ctrl-s GmbH in Stuttgart
Matthias Heinz, leitender Projektmanager und Prokurist beim Softwarehersteller ctrl-s GmbH in Stuttgart. (Bild: ctrl-s GmbH)


Für Matthias Heinz von der ctrl-s GmbH in Stuttgart ist Print beständig, dauerhaft und im Vergleich zu digitalen Medien (be)greifbarer. Für die Druckindustrie wünscht er sich nur mehr Offenheit und Agilität.

 

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Ein Kind der Druckindustrie

Natürlich ist die Arbeitswelt bei ctrl-s voll-digital, teilweise auch voll-remote. „Klar, schließlich sind wir ein Softwarehaus und europaweit aktiv. Der große Reiz für uns als Software- und Prepress-Dienstleister besteht aber darin, dass wir voll-digitale Lösungen schaffen, um es ,unserem‘ analogen Medium Print weiterhin zu ermöglichen, möglichst schnell, optimiert und automatisiert ausgespielt werden zu können!“

 

Mit zwei Jahren war ich erstmals
auf der Drupa − im Kinderwagen.“

 

Dass Matthias Heinz in diesen Prozess so viel Herzblut reinsteckt, kommt nicht von ungefähr: Der 39-Jährige ist ein Kind der Druckindustrie, ist mit und in der Familiendruckerei seines Vaters großgeworden. Und auch wenn er diese nicht übernehmen wollte, weil zu klein und aus seiner Sicht nicht zukunftsfähig genug: Der Branche „untreu“ geworden ist Matthias Heinz trotzdem nur ein einziges Mal (und dies auch nur kurz, für ein Physikstudium). „Aber dann suchte die ctrl-s GmbH einen CtP-Operator für die Nachtschicht – und ich übernahm den Studentenjob. Mit den Gründern Elke Weber und Martin Klein verstand ich mich sofort hervorragend, sie animierten mich zu einer Ausbildung als Mediengestalter – und schon war das Physikstudium wieder hingeschmissen“, schmunzelt der heutige Automatisierungsspezialist. Matze beendete die Ausbildung in Stuttgart, ctrl-s transformierte sich in der Folge erfolgreich zum Softwarehaus und -integrator, woran er maßgeblich beteiligt war. Inzwischen ist Matthias Heinz 17 Jahre im Betrieb, Mitgesellschafter bei ctrl-s und bildet mit seinen Mitstreitern Bert Klein und Matthias Lukaseder perspektivisch die Speerspitze in der Unternehmensnachfolge.

 

Digitale „Wischi-Waschi-Welt“

„Für mich ist Print dauerhafter, beständiger und greifbarer als all das Online-Getriebene, speziell die hektischen sozialen Medienkanäle“, berichtet Matthias Heinz. „Natürlich werden die Geschwindigkeiten und Reichweiten von Online für Print so gut wie nie mehr erreichbar sein. Mit welchem Stück Print erreichst du schon 40 Millionen Views wie mit so manchem Video auf TikTok?“ Und trotzdem scheint immer mehr Marketern klar zu werden: Die langsame, entschleunigte Wahrnehmung durch Print gewinnt in der heutigen Zeit wieder an Bedeutung – von der emotionalisierenden Wirkung des immer veredelter ausgespielten Mediums mal ganz abgesehen.

„Mit Print bleibst Du länger in den Köpfen der Menschen, während die immer schneller durchratternden Online-Infos genauso schnell wieder raus sind, wie sie reingekommen waren“, ist sich Matthias Heinz sicher. „Natürlich gibt es noch jede Menge Drucksachen, die künftig nicht mehr nötig sind und somit aussterben werden. Aber Print ist definitv gekommen, um zu bleiben! Es lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob es als Medium wahrhaftiger ist. Aus meiner Sicht nicht zwingend. Aber es wird ganz sicher bleiben, das ist Fakt.“

Menschen aus der Druckindustrie

 

Adaptionsfähigkeit gefordert

Durch seinen Job kommt Matthias Heinz viel rum in der Branche. Denn die Optimierung und Automatisierung von Produktionsabläufen ist im Prinzip überall ein Thema, sei es in der Verpackungsentwicklung, im Rollenoffset, in der industriellen Fotobuchproduktion oder in einer ganz normalen mittelständischen Akzidenzdruckerei. Und in der Regel hat die Beratung dabei auch immer ein Stück weit mit der Analyse – und nachfolgend mit der Digitalisierung von Prozessabläufen im Unternehmen zu tun. „Das macht meinen Job als Dienstleister und Consultant so unglaublich spannend und abwechslungsreich, weil ich bei vielen sehr unterschiedlichen Betrieben Einblicke erhalte in Prozesse und Technologien.“

Zugleich warten hier aber auch Herausforderungen auf Matthias Heinz, die für Außenstehende im ersten Moment gar nicht so augenscheinlich sind. „Ich muss schnell die ,Sprache‘ der Unternehmen oder Hersteller lernen, mit denen ich zu tun habe, ihre Unternehmens- und Umgangskultur. Da gibt es schon enorme Unterschiede zwischen Nord, Süd, Ost und West, aber auch länderübergreifend – und es ist echt schwierig und anstrengend, immer schnell und gut umzuschalten, um im Dialog auch glaubwürdig zu bleiben. Insbesondere dann, wenn man es mit mehreren Kunden aus unterschiedlichen Regionen innerhalb einer Woche zu tun hat. Deshalb ist Adaption sicherlich eine der wichtigsten Transferleistungen, die mir abverlangt wird – und zugleich natürlich die Fähigkeit, die tatsächlichen Pain Points eines Unternehmens zu verstehen, auch wenn mir meistens nur von Indikatoren berichtet wird.“ Seine persönliche Herausforderung, die viele Reisetätigkeit mit seinem Familienleben irgendwie unter einen Hut zu bringen, tritt dabei viel zu häufig in den Hintergrund.

 

Die Druckbranche verkauft Emotionen − und konserviert
immer mehr Erinnerungen in digital vergänglichen Zeiten.“

 

Sterben die Eigenbrötler aus?

Latent nimmt Matthias Heinz auf seinen Touren viel Gejammer und Genörgele in der Druckindustrie wahr. „Das nervt.“ Ebenso wie diese ständigen Vergleiche mit den „goldenen 80er-Jahren“, die natürlich immer hinken, allein schon, wenn man die Geschäftsmodelle und Menge an Informationskanälen von damals mit denen von heute vergleicht. Doch in der Regel seien die Probleme, um die es in den Dialogen dann wirklich geht, meist viel einfacher zu lösen als gedacht. „Für mich umso erstaunlicher und faszinierend ist, dass die Branche trotz dieses gefühlt ,negativen Nährbodens‘ immer wieder in der Lage ist, sich völlig neu zu erfinden. Wie zuletzt etwa mit dem Digitaldruck, Onlineprint und dem ganzen Themenkomplex Individualisierung/Mass Customization“, so Matthias Heinz.

Doch die Druckindustrie war bis zuletzt auch eine „Eigenbrötler-Branche“, in der nur wenig Austausch untereinander stattfand. „Und ich beobachte bei vielen schon auch eine gewisse Schwäche, über den Tellerrand hinauszublicken, sich mit anderen Branchen auszutauschen und zu vergleichen – beispielsweise über Logistikprobleme“, so Matthias Heinz. „Dadurch vergibt man sich aus meiner Sicht auch so manche Chance auf neue Produktideen.“ Unternehmen mit „älteren“ Geschäftsmodellen aus früheren Zeiten seien diesbezüglich besonders „sperrig“ im Austausch, vor allem untereinander. Doch das ändere sich zunehmend. „Speziell bei onlinegetriebenen Druckdienstleistern gibt es eine größere Bereitschaft, sich bis zu einem gewissen Punkt auszutauschen, auch branchenübergreifend. Diese Betriebe sehen nicht einzelne Kunden oder eine bestimmte Technik als ihren USP an, sind deutlich agiler unterwegs. Viel wichtiger ist denen, welche Art von Betriebsorganisation sie aufgebaut haben und wie man darin die richtigen Leute bestmöglich integriert.“

 

Leider schmort die Druckindustrie schon immer
viel zu sehr im eigenen Saft.“

 

Matthias Heinz kennt das. Auch er wollte seinen Horizont erweitern, gedanklich aus der Print-Blase ausbrechen. Sein MBA bei der Power MBA hat ihm dabei wertvolle Einblicke in andere Industrien und zahlreiche neue Kontakte außerhalb der Druckbranche gebracht. Er bekam mit, worauf Unternehmen außerhalb der Printmedienindustrie Wert legen mit Blick auf Unternehmensaufbau, strategische Weiterentwicklung und Personalführung. Seine Conclusio: „Die Druckindustrie ist in vielen Bereichen oftmals einfach zu perfektionistisch unterwegs. Wenn schon ein neues Produkt oder ein neuer Produktionsweg, dann muss es/er erst mal zu 100% passen. Dabei wird oft vergessen, sich frühzeitig Kundenfeedback einzuholen und nicht völlig am Markt vorbei zu produzieren. Ein Professor von mir sagte damals: ,Wenn Du Dich nicht für die erste Version deines Produkts schämst, dann hast du zu lange gewartet!‘“

Und was die Agilität von Druckereien betrifft: „Noch viel zu wenige in der Branche nehmen sich die Zeit für das Thema agile Unternehmensführung oder geben dafür zumindest Ressourcen frei. Was wir bei ctrl-s aber beobachten ist“, so Matthias Heinz, „dass es genau die agilen Unternehmen sind, die einen nachhaltigen und langfristigen Erfolg haben.“

 

KI-Technologie äußerst hilfreich

Und welche Druckthemen bewegen Matthias Heinz aktuell am meisten? „Die Schülerzeitung meiner Tochter“, sagt er schlagfertig, ein Herzensprojekt, das aber noch fertigzustellen ist. Im professionellen Bereich kann er sich gerade für die Softwaretechnologie Prisma Elevate XL von Canon begeistern, die im XXL-Digitaldruck bis zu 2mm hohe Relief- und Hochdrucke möglich macht. Zugleich hofft Matze, dass die Nutzung der Cloud für Anwendungen, zur Datenspeicherung oder gar für Infrastruktur in der Branche endlich weiter an Bedeutung gewinnt.

Druckindustrie: Logo der ctrl-s GmbH in Stuttgart

 

Vor allem ist es aber das Thema KI. „Wir bei ctrl-s beschäftigen uns schon seit längerer Zeit damit – speziell in der Forschung & Entwicklung“, berichtet Matthias Heinz abschließend. „Zum einen kann uns generative Sprach-KI dabei helfen, die Software-Hilfe für Kunden deutlich zu verbessern. Zum anderen kann uns beim Aufbau eines Kundenworkflows die KI gemäß Sprach-Prompting den Programmier-Code für ein erstes Proof-of-Concept erstellen, der dann als Basis für unsere eigene Weiterentwicklung dient. Die KI übernimmt quasi die Fleißarbeit in der Programmierung. Weil unsere Arbeit und Software viel damit zu tun hat, zu verstehen, wie Menschen konkrete Problemstellungen an uns formulieren, ist die KI hier ganz besonders hilfreich. Außerdem kann die KI später dann auch wieder dazu genutzt werden, um eine menschen-lesbare Dokumentation zu erstellen und stets aktuell zu halten.“

 

MATTHIAS "MATZE" HEINZ

ist leitender Projektmanager und Prokurist beim Softwarehersteller ctrl-s GmbH. Das Unternehmen aus Stuttgart bietet auch Dienstleistungen im Bereich Prepress und Process Consulting an. Matthias Heinz engagiert sich zudem als Membership Officer bei der CIP4-Organisation.

 


Das Porträt von Matze Heinz gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über „Menschen in der Druckindustrie“.
Sein Porträt sowie Reportagen über weitere Menschen, deren Herz heftig für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2023 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.

 

 

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