Eric Bradatsch hat einen zutiefst positiven Blick auf die Druckindustrie. Um Print in einer digitalen Welt stark zu verwurzeln, brauche es nur genug „realness“ und Offenheit, so der Spezialist für großformatige Außenwerbung.
Programmier-Autodidakt in der Druckindustrie
Wie es der Zufall manchmal so will: In seiner Zeit als Leistungssportler im DDR-Radrennsport der 1980er-Jahre hatte sich Holger Bradatsch an der Sporthochschule mit der Reproduktion „cooler Bilder und Fotos aus dem Westen“ noch etwas Geld hinzuverdient. Mit der politischen Wende (und einer Siebdruck-Lehre im Rücken) gründeten er und seine Frau Ines dann 1990 selbst (im eigenen Wohnhaus) einen Reproduktions- und Druckereibetrieb, die Textil-Siebdruck Beiersdorf, kurz Texsib.
Sohn Eric, 1987 geboren und heute Juniorchef des Familienunternehmens, war also von Beginn an immer nah dran am Print-Geschehen, interessierte sich als Jugendlicher aber zunächst eher für die „Abfallprodukte“ der Druckerei: Als passionierter Hobby-Gamer profitierte er lange Zeit von den regelmäßig ausgemusterten Profi-PCs aus dem schnelllebigen IT- und DTP-Bereich. Immer von Computertechnik umgeben, wuchs bei Eric Bradatsch neben dem Gaming auch das Interesse an der Programmierung, die er sich autodidaktisch beibrachte. „Natürlich arbeitete ich nebenbei immer wieder mal in der Druckerei mit“, erinnert sich Bradatsch, „aber spätestens mit dem Abitur in der Tasche wurde es Zeit, meinen Eltern und dem Betrieb doch etwas mehr zurückzugeben!“
„Ein großformatiges Print-Banner
begleitet dich – es verfolgt dich nicht ständig
auf tausenden Kanälen wie so manche Digitalwerbung.“
So programmierte Eric, stets mit viel Vertrauensvorschuss von den Eltern ausgestattet, eine neue Texsib-Homepage, die erstmals wirklich zur Kundengewinnung über Google Ads beitrug, arbeitete sich an den inzwischen im Hause vorherrschenden Großformat-Digitaldrucksystemen ein und übernahm verstärkt Nachtschichten in dem 2005 bezogenen neuen Produktionsgebäude. Hier konnte er sich parallel zum Geschäftsbetrieb in Ruhe autodidaktisch reichlich Know-how in Sachen Workflowoptimierung und Prozessdigitalisierung „draufschaufeln“. Dies führte schließlich zur ersten Inhouse-Softwareentwicklung bei Texsib, einem Wochenplanungs-Tool, das den internen Workflow weiter digitalisierte und die Lauftaschen eliminierte.
Ein 2007 begonnenes, zweisprachiges Studium „International Business Management“ an der FIHE Venlo verfolgte Bradatsch 2008 nach der Drupa nicht mehr aktiv weiter; Texsib hatte erneut angebaut und in zahlreiche brandneue Druck- und Konfektioniermaschinen investiert – und „jemand“ musste sich nun um die gehäuft auftretenden „Kinderkrankheiten“ an den Maschinen kümmern. Eric Bradatsch war endgültig im Unternehmen angekommen, wurde 2017 Mit-Geschäftsführer und entwickelte gemeinsam mit Kollegen das Wochenplanungs-Tool zum TAS (Texsib Allround System) weiter, einer fortgeschrittenen Anwendung, die inzwischen auch die Bereiche Zeiterfassung, Markeketingautomatisierung, CRM, Fakturierung und Mahnwesen abdeckt und in der Lage ist, Kunden direkt über API-Schnittstellen mit anzubinden.
Print erschafft „Gefühlswelten“
Was bedeutet dem Jungunternehmer Print? „Druck ist für mich in erster Linie, wie es Bernd Zipper schon einmal so schön sagte, Manifestation von Wissen“, stellt Eric Bradatsch klar. „Noch wichtiger ist aber, dass Print in der Lage ist, durch verschiedene Bedruckstoffe, Veredelungen, Haptiken und Variationen viele Sinneskanäle gleichzeitig anzusprechen. Deshalb ist bei qualitativ hochwertigen Werbekampagnen heutzutage der Großformat-Digitaldruck stets ein zentraler Eckpunkt im Medienmix, weil man sich ihm auf Messen, Innenstadt-Fassaden, in Schaufenstern einfach überhaupt nicht entziehen kann.“ Print erschaffe „Gefühlswelten“ wie kein anderes Medium, so Bradatsch. Und die Grenzen des Machbaren seien da längst noch nicht erreicht, „wenn man bedenkt, wie viele Flächen des alltäglichen Lebens derzeit drucktechnisch noch gar nicht hinterfragt werden“.
„Den Konflikt Print vs. digitale Medien, den gab es nie“, ist sich Eric Bradatsch sicher, wenn es um die Fragestellung geht, welches Medium die Welt wohl am meisten bewegt. „Die richtige Balance zwischen beidem zu finden, ist entscheidend – und zugleich eine gewissen Offenheit gegenüber dem Wandel an Bedürfnissen zu entwickeln. Nur dann können optimale Kommunikationslösungen für Kunden entstehen, die gesellschaftlicher Weiterentwicklung konsequent folgen und die geeigneten Zielgruppen, Medienkanäle und Art der Kundenansprache auch wirklich erkennen.“ Und eine Botschaft muss vor allem „klar“ sein, ist sich Bradatsch sicher. „Ich bezeichne das gerne als ,realness‘. Das bedeutet letztlich nichts anderes, als ungefilterte Botschaften authentisch und ohne Vorabbeurteilung zu senden.“ Und dies sei nicht nur für den Erfolg von Werbung elementar. „Auch wir als Unternehmen sind so unterwegs, wollen uns nicht irgendwie ganz speziell ,präsentieren‘, wie manch einer denkt, nur weil wir zum Beispiel stark in den sozialen Medien aktiv sind. Nein wir zeigen einfach nur, wie wir wirklich sind und was uns wichtig ist. Das ist alles.“
Die Energie einer Firma nutzen
Eric Bradatsch fühlt sich wohl in der Druckindustrie, nimmt die Community der Großformatdrucker als locker, kreativ und dynamisch wahr. „Das ist fast wie eine coole family, auch wenn natürlich Wettbewerb herrscht und ab und zu die Ellenbogen ausgefahren werden. Aber es ist nie feindselig, wie in anderen Branchen.“ Nur mit der Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit hapert es manchmal, gerade was Deadlines im Datenaustausch mit Kunden betrifft. „Planungssicherheit zu schaffen, ist im Prinzip unmöglich“, berichtet Bradatsch aus der täglichen Praxis. „Und trotzdem kriegen wir es immer wieder pünktlich hin. Das sorgt schon für eine gewisse Entspanntheit, ein Urvertrauen in die eigene Leistung!“
„Es ist schon verrückt: Selbst Freunde von mir,
die reine Digital-Unternehmen betreiben, fühlen sich
mit ihrem Betrieb erst so richtig wahrgenommen, wenn
sie das übergroße Banner mit ihrem Slogan zum
Beispiel an einem Bauzaun hängen sehen.“
Mit Blick in die Zukunft beschäftigt den sächsischen Unternehmer weiterhin vor allem das Thema Prozessautomatisierung: „Ich würde meine Mitarbeiter gerne noch mehr von ständig wiederkehrenden Aufgaben befreien, damit sie noch mehr Raum für Kreativität haben.“ In diesem Zusammenhang ein grundsätzlich verbessertes Lohngefüge in der Branche zu etablieren, bei trotzdem wettbewerbsfähiger Preisgestaltung, läge Bradatsch besonders am Herzen. Und über allem steht immer die Frage, wie man den Kunden datengetrieben einen noch besseren Service bieten, ihm Arbeit und Denkaufwand abnehmen und zugleich noch transparenter über den aktuellen Stand seines Auftrags informieren könnte.
„Der Druck wird in den nächsten Jahren noch kleinteiliger, noch individualisierter werden. Kleinere Druckserien werden noch schneller zirkulieren. Die Möglichkeiten hierfür sind längst da, werden aber heute in den meisten Kampagnen noch zu inkonsequent genutzt“, weiß Eric Bradatsch. „Synergien zwischen Medienkanälen sollten noch stärker genutzt werden, da der ROI von Single-Channel-Kampagnen ja bewiesenermaßen deutlich schlechter ist. Und Print wird in diesem Umfeld eine tragende Rolle spielen, da die digitalen Impulse inzwischen viele Menschen ermüden, die Aufmerksamkeit schwindet.“ Außerdem werde digitale Werbung immer stärker schon vorab geblockt.
„Print-Werbung ist greifbar
und vor allem unfilterbar.“
Druckereien, so vermutet Bradatsch weiter, könnten sich in den nächsten Jahrzehnten zu „visuellen Dienstleistern“ weiterentwickeln, die „Erlebnisräume“ für Kunden erschaffen. „Deshalb ist es wichtig, dass wir uns nicht nur allein darauf fokussieren, was wir heute tun und quasi vor lauter Tagesgeschäft zu erstarren, sondern immer auch nach vorne zu blicken und die digitale Entwicklung zu verfolgen, um da dynamisch am Ball zu bleiben. Ich selbst bin fest davon überzeugt: Jede Firma bringt eine gewisse Energie mit sich! Man muss sich nur trauen, diese Stärken zu erkennen und immer wieder neu einzuordnen, vielleicht auch Dienstleistungen drum herum zu schaffen. Sinnvoll zu experimentieren ist die Maßgabe! Eine offenere Art der Fehlerkultur ist hierfür unabdingbar.“
ERIC BRADATSCH
ist Mit-Geschäftsführer der Texsib GmbH, einer Digitaldruckerei für großformatige Außenwerbung in Beiersdorf im Dreiländereck Polen, Tschechien, Deutschland. Der offene, moderne Familienbetrieb ist unter anderem bekannt für die intensive Nutzung der sozialen Medienkanäle für die Bereiche Kommunikation, Selbstvermarktung, Kunden- und Mitarbeitergewinnung. |
Das Porträt von Eric Bradatsch gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über „Menschen in der Druckindustrie“.
Sein Porträt sowie Reportagen über weitere Menschen, deren Herz für Print schlug und schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2022 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.