Menschen in der Druckindustrie: Christian und Tobias Spinner
Die Buchbinder-Brüder
von Martina Reinhardt,
Das Problem, Nachfolger für den Familienbetrieb zu finden, stellt sich vielen Unternehmen in der grafischen Industrie. Die Buchbinderei Spinner hingegen kann sich glücklich schätzen: Die Brüder Tobias und Christian Spinner führen das Unternehmen jetzt in der dritten Generation weiter – und stellen sich den Herausforderungen einer sich rasant verändernden Branche.
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Die Buchbinderei als „Wohnzimmer“
Vermutlich sind die Kindheitserinnerungen derer, die in einem Familienunternehmen groß geworden sind, alle ähnlich. Der Betrieb ist quasi eine Erweiterung des heimischen Wohnzimmers – im Zweifel auch mal ein prima Ort zum Spielen. Die Eltern sind meist dort anzutreffen. Gespräche beim Abendessen oder im Auto drehen sich oft um eines: das Geschäft. Man ist gewohnt, mitanzupacken – immer dann, wenn gerade Not am Mann ist und auch ab und an, um das Taschengeld aufzubessern. Das Geschäft ist Alltag und Normalität – und es prägt. Tobias und Christian Spinner, die dritte Generation der Buchbinderei Spinner im badischen Ottersweier, erinnern sich unter anderem ans Versteckspiel hinter Klebebinder und Paletten und an Mitarbeiter, die den Dreikäsehochs immer mal wieder Schokolade zusteckten.
Ein paar der Mitarbeiter, die damals ihre Süßigkeitenvorräte mit ihnen teilten, sind heute noch da. Allerdings sind die ehemaligen Dreikäsehochs heute Geschäftsführer des Familienbetriebs, den Großvater Josef Spinner 1951 gründete, und haben selbst schon für eigenen Nachwuchs gesorgt. Neben Tobias und Christian Spinner ist Vater Hans-Jörg Spinner noch als weiterer Geschäftsführer mit an Bord. Ihre Mutter Margrit und ihre Schwester Kathrin Spinner arbeiten mit im Betrieb. Auch das ist Familienbetrieben gemeinsam: Man kann sich schwer entziehen.
Der Buchbinder
Christian Spinner hatte auch niemals die Absicht, sich dem Unternehmen zu entziehen – im Gegenteil. Schon als kleiner Junge war für den heute 34-Jährigen klar: „Ich will Buchbinder werden“. Ein Ziel, das er konsequent verfolgte.
„Ich habe immer gerne im Betrieb mitgeholfen und war schon immer von der Technik begeistert“, erzählt er. Schon früh hatte ihn sein Großvater immer wieder mit in die Produktion genommen und ihm nicht nur gezeigt, worauf es beim Buchbinden ankommt, sondern auch gemeinsam mit ihm die Ärmel hochgekrempelt und den Kopf in die Maschinen gesteckt. 2006 bis 2009 absolvierte er dann seine Ausbildung zum Industriebuchbinder beim Kollegenbetrieb, der Buchbinderei Schaumann in Darmstadt. Es folgten Praktika bei Mohn Media in Gütersloh sowie bei Bückers in Anzing. Mit der Technikerausbildung an der Johannes-Gutenberg-Schule in Stuttgart legte er einen weiteren Grundstein für den Einstieg in die heimische Buchbinderei. Er ist als Geschäftsführer für den Bereich Produktion und Technik zuständig.
Der Sportökonom
Ganz anders sah der Werdegang seines fast vier Jahre älteren Bruders aus. „Ich bin das totale Gegenteil meines Bruders. Ich wollte eigentlich gar nicht in die Branche gehen“, sagt Tobias Spinner. Stattdessen versuchte der passionierte Sportler – Spinner spielt und spielte Tennis auf hohem Niveau mit Platzierungen in der deutschen und der internationalen Rangliste –, Hobby und Beruf zu verbinden. Er studierte Sportmanagement und Sportökonomie und sammelte in diversen Praktika Erfahrung.
Und trotzdem kam es anders. Am Ende kann man oft nicht genau sagen, was letztendlich den Ausschlag für die Entscheidung gab, doch im elterlichen Unternehmen einzusteigen. „Reingerutscht“, heißt es dann meist. „Reingerutscht“, weil man just in dem Moment gebraucht wird, in dem der alternative Lebensplan noch nicht ganz gegriffen hat. „Reingerutscht“, weil eben doch das Unternehmen, der Markt und das ganze Drumherum so vertraut sind und man gleichzeitig merkt, dass man das eigene Know-how nutzbringend einbringen kann. So sorgt der Ökonom Tobias Spinner als kaufmännischer Geschäftsführer unter anderem dafür, dass die Zahlen im Unternehmen stimmen.
Hat er seine Entscheidung je bereut? Nein, eigentlich nicht. Allerdings teilen Tobias und Christian Spinner gerade das Los vieler Jungunternehmer, die im letzten Jahrzehnt in die grafische Industrie eingestiegen sind: Ein Selbstläufer ist das Geschäft beileibe nicht. Der Druck, der auf dieser jungen Generation lastet, ist entsprechend hoch. Und die Krisen der vergangenen Jahre sind vermutlich an niemandem spurlos vorübergegangen. Man spürt die allgemeine Verunsicherung im Markt. Größere Projekte werden verschoben. Aufwändige Produkte abgespeckt. Auflagen reduziert. Ganz abgesehen davon, dass die Kosten im Betrieb – wie eigentlich überall – seit der Ukrainekrise um ein Vielfaches gestiegen sind. Kalkulierbar ist das nicht. Prognostizierbar noch weniger. „Trotzdem haben wir letztes und dieses Jahr im gesamten Team gute Arbeit geleistet und die Coronazeit und davor wieder auffangen können. Chancen sind absolut da, wir müssen uns permanent an die Marktgegebenheiten anpassen“, beschreibt Tobias Spinner die Situation.
Die Gewinner
Dass die Buchbinderei alles in allem ziemlich stabil dasteht, liegt vermutlich nicht zuletzt daran, dass Spinner immer wieder mit außergewöhnlichen Produkten auf sich aufmerksam macht. Kernkompetenz sind Bücher und Broschüren in unterschiedlichsten Ausstattungsvarianten.
Freilich gibt es da die Standards, die mehr oder weniger geradeaus produziert werden können. Aber es gibt eben auch die luxuriös ausgestatteten Hardcover-Bände, Produkte die viel Zeit, Kreativität und Know-how benötigen, um sie in perfekter Qualität produzieren zu können. Das sind dann die Bücher, für die die Buchbinderei Spinner schon zum wiederholten Mal den ersten Platz bei den Druck & Medien Awards geholt hat und wegen denen nicht nur Druckereien, sondern auch Agenturen, Verlage und Grafiker direkt bei der Buchbinderei anklopfen.
Die Privatmenschen
Bleibt bei alldem noch Zeit für Freizeit? Verlegenes Lachen auf beiden Seiten. Genaugenommen nicht. Oder zumindest eher wenig. Für beide steht neben der Arbeit im Betrieb die Familie im Vordergrund, beide haben noch kleine Kinder, die nicht zu kurz kommen sollen. Auch Freundschaften wollen gepflegt werden. Und wenn dann doch mal ein bisschen Luft ist, dann suchen beide Brüder im Sport den Ausgleich.
„Ich bewege mich seit jeher und brauche das auch, um fit zu bleiben“, erklärt Tobias Spinner. Aktiv spielt er immer noch Tennis oder er dreht eine Runde über den Golfplatz. Wenn’s schnell gehen muss, muss das Fitness-Studio herhalten. Ansonsten steht er gern auf dem Skiern und freut sich schon, wenn seine Kinder gemeinsam mit ihm den Hang herunterfahren können.
Auch Christian Spinner versucht, Familie und Hobby zu verbinden: „Am schönsten ist es, wenn man alles in einem Familienurlaub am Meer mit Wassersport vereinen kann. Sandburgen bauen und danach zum Wind- oder Kitesurfen aufs Wasser hüpfen.“
CHRISTIAN UND TOBIAS SPINNER
bilden gemeinsam mit ihrem Vater Hans-Jörg Spinner die Geschäftsführung der Josef Spinner Großbuchbinderei GmbH in Ottersweier. Das Unternehmen produziert mit rund 75 Mitarbeitern Bücher und Broschüren in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten. Vom Standard bis zum luxuriös verzierten Buch ist alles möglich. Unterschiedliche Bindetechniken und Einbandvarianten, ausgewählte Umschlagmaterialien und Ausstattungsmerkmale, kombiniert nach Kundenwünschen, sind die Spezialität des mehrfach preisgekrönten Unternehmens.
Das Porträt von Tobias und Christian Spinner gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über „Menschen in der Druckindustrie“.
Ihr Porträt sowie Reportagen über weitere Menschen, deren Herz heftig für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2023 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.