Start-up der TU Darmstadt will Papierherstellung revolutionieren
Beschichtete Papiere: Mit CeraSleeve werden sie recyclingfähig
von Redaktion,
Papier mit Kunststoffbeschichtung oder -beimischung wird beim Recycling zum Problem, denn es kann nicht sortenrein entsorgt werden. Das Start-up-Projekt CeraSleeve, eine Ausgründung der TU Darmstadt, will hier mit einer neuen Technologie Abhilfe schaffen. Für seine vielversprechende Idee warb das Gründungsteam 1,13 Millionen Euro Fördermittel vom EXIST-Programm der Bundesregierung ein.
Die promovierte Chemikerin Nicole Rath und der promovierte Chemiker Mathias Stanzel arbeiten daran, sogenannte nassfeste und wasserabweisende Papiere recyclingfähig herzustellen. „Mit unserer patentierten und kreislauffähigen Materialinnovation CeraSleeve können wir Papier mit einer leicht verfügbaren, kostengünstigen und völlig unbedenklichen Substanz wasserabweisend und nassfest machen“, so Stanzel.
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Sand statt fossilier Rohstoffe
CeraSleeve ist ein Beschichtungsverfahren, das Silica verwendet, vereinfacht gesagt: Sand. „Wir statten das Papier mit einer hauchdünnen Silicaschicht aus und ersetzen so die fossilen Rohstoffe, aus denen die herkömmlichen Nassfestmittel und Polyethylenfolien produziert werden“, erläutert Rath. Das so hergestellte Papier ist nachgewiesenermaßen recyclingfähig; die Cellulosefasern können vollständig zurückgewonnen werden. Und: Jede Papiersorte kann durch CeraSleeve veredelt werden.
Das Projekt fand seinen Anfang in der Doktorarbeit von Nicole Rath. Dafür forschte sie im Labor von Prof. Dr. Annette Andrieu-Brunsen und Prof. Dr. Markus Biesalski vom Institut für Makromolekulare Chemie der TU Darmstadt. Rath wollte eine stabile Membran aus Silica herstellen. Dabei entdeckte sie einen Nebeneffekt, mit dem sie nicht gerechnet hatte: Das Papier, das sie mit Silica beschichtete, wurde wasserabweisend. Eine Materialinnovation war geboren.
Funktioniert bei allen Cellulosestoffen
Rath gewann ihren Studienkollegen und Mitdoktoranden Mathias Stanzel für weitere Untersuchungen. Die Kollegen vom Institut für Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik an der TU Darmstadt stehen transdisziplinär mit Rat und Tat zur Seite. Der Pioneer-Fund der Universität ermöglichte Stanzel, die Forschungsarbeiten an der Silica-Papierbeschichtung fortzusetzen. Er fand heraus: „Die Methode funktioniert bei allen Cellulosestoffen, aus denen Papier ja hergestellt wird – egal ob lange Fasern, kurze Fasern, aber auch Baumwolle.“ Damit war auch klar: Diese Innovation hat weltweit großes Marktpotenzial. Pappteller, Papiertüten, Trinkhalme und -becher bis hin zu Hygienepapier: die Beschichtung CeraSleeve kann für vielfältige Papierprodukte nassfeste und wasserabweisende Lösungen anbieten, die nachhaltig und kreislauffähig sind. Aus dieser Idee machten Rath und Stanzel ein Gründungsprojekt.
Das Innovations- und Gründungszentrum Highest der TU Darmstadt bestärkte die Forschenden in ihrer Geschäftsidee und berät die beiden seither. Prof. Dr. Annette Andrieu-Brunsen und Prof. Dr. Markus Biesalski betreuen das Ausgründungsprojekt: „CeraSleeve hat das Potenzial, durch die Verbindung von Expertise im Bereich Papier, im Bereich Sol-Gel-Chemie und der neuen Nutzung von Analytikmethoden ganz neue Materialeigenschaften und damit ganz neue Produkte zu schaffen“, davon sind Andrieu-Brunsen und Biesalski überzeugt. Die Materialinnovation sei nachhaltiger als herkömmliche Verbundpapiere, könne dabei aber mit aktuellen Produkteigenschaften mithalten. „CeraSleeve ist ein Beispiel dafür, wie anfänglich vermeintliche Probleme im Labor durch systematische Analyse und übergreifendes Denken zu einer Erfolgsstory werden können.“
Große Resonanz in der Papierindustrie
Mit ihrem Projekt CeraSleeve erreichten Rath und Stanzel 2021 beim TU-Ideenwettbewerb den zweiten Platz. Um eine Anschlussfinanzierung zu sichern, holten sie den Betriebswirtschaftler Augustin Coreth mit an Bord. Er kümmert sich um Businessplan, Unternehmensstrategie, Vertrieb und Marketing. Gemeinsam warb das Team vor kurzem 1,13 Millionen Euro Fördermittel vom EXIST-Forschungstransferprogramm der Bundesregierung ein. Es ist eine der größten Fördersummen, die ein Forschungsteam der TU Darmstadt je erhalten hat und ermöglicht, aus CeraSleeve ein Geschäftsmodell zu machen. Ziel des Gründungsteams ist es, mit CeraSleeve ein Plug-and-Play-Produkt anzubieten. Dass das Team mit seiner Idee richtig liegt, belegt die große Resonanz, die es für sein Produkt erfährt. „Mehrere große Papierhersteller haben bereits großes Interesse daran, unsere Technologie in ihrer Produktion einzusetzen“, so Nicole Rath.