Für viele Mittelständler ist der Generationswechsel eine unüberwindliche Hürde. Bei Goldschmidt Druck & Medien funktioniert er. Im Frühjahr 2021 wurde zudem ein Neubau bezogen und der fast vollständige Umstieg in den Digitaldruck abgeschlossen.
Das Emsland kann im Spätherbst ziemlich grau und windig sein. Von Tristesse ist allerdings im Büro von Vera Goldschmidt wenig zu merken. Das Eckbüro im Neubau am Stadtrand von Werlte ist freundlich und bunt. Weiße Büromöbel, türkisfarbene Sitzgruppe und hinter dem Schreibtisch der vierjährige Sohn, der mit Opa Wilhelm eine Runde spielen geht, damit Mama in Ruhe über das Thema Generationenwechsel sprechen kann. Und darüber, wie es sich anfühlt, wenn man als junge Chefin den Familienbetrieb jetzt in der dritten Generation führt.
Es geht weiter bei Goldschmidts
Quereinsteigerin? Vera Goldschmidt stutzt und überlegt kurz. Ok, sie hat schließlich in Berlin Kunstgeschichte und Archäologie studiert. Und als sie letztendlich vor einigen Jahren zusagte, in den elterlichen Betrieb einzusteigen, war am meisten ihr Vater überrascht. „Aber ich bin ja hier aufgewachsen.“ Hier, das war dann auch neben den Druckmaschinen, damals noch in zentraler Lage im 10.000-Einwohner-Städtchen Werlte. „In den Semesterferien habe ich auch meistens ein bisschen mitgeholfen und mein Studium mitfinanziert.“ Kurze Pause. „Ja, ich wusste, worauf ich mich einlasse.“
Das ist acht Jahre her. 2016 ist die heute 37-jährige in die Geschäftsführung aufgerückt, inzwischen ist sie alleinverantwortlich für den Akzidenzbetrieb und seine über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die sind ziemlich froh, dass es bei Goldschmidt Druck weiterging. Und nicht nur irgendwie, sondern mit einem Ausrufezeichen: einem Neubau auf einem „Filetgrundstück“ am Ortseingang von Werlte, wo jetzt die komplette Produktion stattfindet.
Ein Kraftakt
Bis Ende 2020 war das noch anders. Wilhelm Goldschmidt hatte nicht nur in 1990er-Jahren einen Filialbetrieb in Schwerin gegründet. 2003 war auch in Lingen die insolvente „Van Acken Druck“ übernommen worden, wo über viele Jahre unter anderem eine Heidelberg Speedmaster CD 102 die Hauptlast der Druckproduktion trug. Die Weiterverarbeitung fand in Werlte statt und damit ein Dauerpendelverkehr zwischen den 50 Kilometer entfernten Betrieben.
Der Neubau war ein Kraftakt. Er hat den beiden Goldschmidt-Generationen auch wieder den langen Arm der deutschen Bürokratie vor Augen geführt, etwa als es um Brandschutzbestimmungen oder um die Notwendigkeit eines Aufzuges für das zweistöckige Verwaltungsgebäude ging. Ein riesiger Sprung war es natürlich für die innerbetriebliche Logistik und für den Energieverbrauch des Unternehmens. „Das Gebäude in Lingen stammte aus den 1980er-Jahren. Da können Sie sich vorstellen, dass es mit der Energieeffizienz nicht weit her war.“ Jetzt hat Goldschmidt Photovoltaik auf dem Dach, und mit der Abwärme der Maschinen wird auch der Betrieb beheizt. Nachhaltigkeit im Betrieb und in der Druckproduktion ist für die dritte Unternehmer-Generation Goldschmidt eine gefühlt „normale“ Sache.
In diese Strukturen passt sehr gut das neue Hauptproduktionsmittel, das nun den Drucksaal dominiert: die Fujifilm Jetpress 750S, eine Digitaldruckmaschine im Format B2, die mit wasserbasierenden Tinten druckt und bei Goldschmidt mittlerweile den Bogenoffsetdruck (bis auf eine kleinere Zweifarben-Maschine) fast vollständig abgelöst hat. Noch vor einigen Jahren hatte Goldschmidt sogar zwei 3B-Speedmaster betrieben, aber die Aufträge entwickelten sich in eine Richtung, die immer weniger zu diesem Maschinenpark passte.
Offsetdruck überdimensioniert
Vera Goldschmidt: „Der Bogenoffset war einfach überdimensioniert. Die Auflagen sinken seit Jahren und das wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Früher haben wir tonnenweise Kataloge zu Messen geliefert. In dem Stil macht das kaum noch jemand. Heute wollen unsere Kunden lieber 1.000 deutsche, 500 englische und 300 französische Broschüren haben. Und das können wir im Digitaldruck viel besser abdecken.“
Für das Unternehmen ist der Digitaldruck eine seit zwei Jahrzehnten bewährte Technik. Wilhelm Goldschmidt hatte sich schon ab 1999 damit beschäftigt. „Damit waren wir hier in der Gegend Pionier und wir haben den Digitaldruck-Einsatz immer weiter ausgebaut.“ Auf der Drupa 2016 wurde in zwei weitere Tonermaschinen von Canon investiert. Aktuell wird auf vier solchen Linien produziert, davon drei 4c-Systeme. Zu ihnen gesellte sich nun die Jetpress.
Das Format B2 sollte es sein
Digitaldruck im Format B2 sollte es sein und erst über die Erwähnung in einer Fachzeitschrift wurden Vera und Wilhelm Goldschmidt auf die Fujifilm-Maschine aufmerksam. Umso schneller geriet sie im Auswahlprozess zur Alternative zu anderen, gängigeren Maschinen der Formatklasse. Letztendlich waren es die Druckqualität und die wasserbasierenden Farben, die Goldschmidts zusagten und dem Druckbetrieb heute eine völlig neue Flexibilität in der Produktion geben. Kleinste Auflagen, viele Sprachversionen, kurzfristige Nachdrucke? Alles kein Problem mehr. Die Investitionsgröße (Listenpreis ca. 1,25 Mio. Euro) war auch für einen 30-Personen-Betrieb bewältigbar, das Prinzip der Kostenabrechnung im Digitaldruck sagt Vater und Tochter Goldschmidt erst recht zu, „weil es gut kalkulierbar ist“ – bei gleichzeitiger hoher Verfügbarkeit der Maschine. Denn zum Service können sie bislang nur Gutes sagen. Und Limitierungen beim Druck? Da fallen beiden eigentlich nur Chromolux-Karton und das eine oder andere Etikettenpapier ein.
One-Stop-Shop plus Beratung
Goldschmidt Druck sieht sich gegenüber seinen Kunden als „One Stop Shop“. „Ja, wir versuchen, alles zu liefern“, sagen Vera und Wilhelm Goldschmidt wie aus einem Munde. Für sie ist das in einer Zeit, in der sich viele Marktbegleiter spezialisieren, eine immer noch funktionierende Strategie. Und ja, es gab Kunden, die mit ihrem Druckbedarf zu „Onlinedruckern“ abwanderten. Aber es gibt auch die Rückkehrer und solche, die schon immer das Beratungsangebot schätzen.
Und nicht zuletzt spürt Vera Goldschmidt den Trend zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz auch in der Beschaffung. Und dass heißt: Transportwege vermeiden und lieber regional einkaufen.
Allerdings weiß die Chefin sehr wohl, was man gut selbst produzieren kann. Und was nicht. „Da helfen dann Kollegen“, schildert Vera Goldschmidt. Das war schon früher zu Zeiten der Speedmaster so. Die Kunden aber wissen, dass sie in Goldschmidt einen Partner für alle gedruckten Werbemittel haben.
Dass so etwas dann durchaus zu einem festen, zusätzlichen Standbein führen kann, zeigt die recht junge Abteilung Werbetechnik der Werlter Druckerei. Aufkleber, darunter auch sehr große Formate, waren schon immer ein dauernder Bedarfsfall bei wichtigen Goldschmidt-Kunden. Und die Produkt-Vielfalt – gepaart mit Kleinauflagen – definitiv bald nichts mehr für den Offsetdruck. Also wurde vor Jahren schon der erste Roland-DG-Großformatdrucker angeschafft, schließlich ein zweiter, und mit stetig wachsender Nachfrage übernahm ein gelernter Werbetechniker diesen Produktionsbereich, was neues Know-how ins Unternehmen brachte und die Attraktivität für die Kunden weiter steigerte.
„Wir bleiben offen für alles“
Vera Goldschmidt verweist dann auch gerne auf genau diese Entwicklung, wenn man nach den Zukunftsperspektiven für ihr Unternehmen fragt. Mit dem Digitaldruck aus Fujifilm Jetpress, den Canon-Toner-Maschinen und den Roland-DG-Plottern sieht sie sich „für die nächsten Jahre ganz gut aufgestellt“. Wohl wissend, dass es Produktgruppen gibt, die irgendwann wegbrechen werden. „Ich bin sicher“, sagt die Druckunternehmerin, „dass wir dann auch wieder neue Ideen haben und uns weiter entwickeln. Wir waren es schon immer und wir bleiben auch in Zukunft offen für alles. Und sehr flexibel.“
Vera Goldschmidt ist seit 2016 Geschäftsführerin der Goldschmidt GmbH Druck & Medien in Werlte (Kreis Emsland). Die 37-jährige ist Sprecherin der Wirtschaftsjunioren Emsland – Grafschaft Bentheim der IHK. Mit ihrem Mann zog sie 2013 aus Berlin zurück in ihre Heimatstadt, um in dritter Generation den elterllichen Betrieb fortzuführen.
Das Porträt von Vera Goldschmidt gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über “Menschen in der Druckindustrie”. Unter diesem Titel erzählen zehn Menschen aus der Branche über das, was sie an der Druckbranche fasziniert und was sie bewegt. Das Porträt von Vera Goldschmidt sowie neun weitere Menschen, deren Herz für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2021 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.