Dr. Ulf Sölter kam 2022 als neuer Direktor ans Gutenberg-Museum in Mainz − und ist nun mittendrin in der Übergangsphase vom „alten“ zum „neuen“ Museum, inklusive der temporären Ausstellung „Gutenberg-Museum MOVED“.
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Das „neue“ Gutenberg-Museum kommt …
Am 23. November 2024 haben Dr. Ulf Sölter und sein Team ein wichtiges Zwischenziel erreicht: Die Interimsausstellung im Naturhistorischen Museum Mainz konnte eröffnet werden (siehe Kasten am Ende dieses Textes). Im Anschluss fand der Museumschef dann auch Zeit für ein Interview mit der Branchenplattform print.de.
print.de: Was ist die wichtigste Fähigkeit eines Museumsdirektors?
Dr. Ulf Sölter: Dass man eine Vision entwickeln kann, eine Idee. Und natürlich braucht man die Kenntnisse dafür, wie man sie umsetzen kann. Das ist ein Zusammenspiel.
print.de: Was hat Sie am Gutenberg-Museum gereizt?
Dr. Ulf Sölter: Es war dieses Alleinstellungsmerkmal. Das Gutenberg-Museum hat kaum Konkurrenz mit seinem Sammlungsprofil. Als Museumsmann habe ich außerdem hier eine sehr reizvolle Aufgabe erkannt: Denn wo wird ein so wichtiges Haus geschlossen, dann ein so nachhaltiges Konzept für eine Zwischennutzung realisiert − um schließlich wieder am alten Standort in ein ganz neues Museum überführt zu werden? Eine Gelegenheit, so etwas umzusetzen, ist höchst selten.
print.de: Was hat Sie an der Druckbranche am meisten überrascht?
Dr. Ulf Sölter: Natürlich hatte ich in meinen früheren Positionen schon Verbindung zu Druck und Druckgeschichte. Aber dadurch, dass wir 2024 auch mit einem Stand auf der Drupa in Düsseldorf vertreten waren, habe ich mich mit dem Verband und vielen Vertretern der Branche unterhalten und bin begeistert, welcher Vielfalt ich da begegnet bin. Ich bin begeistert, welche Bedeutung diese Branche hat, was sie alles abdeckt. Da drin liegt eine Chance. Auch für die zukünftige Zusammenarbeit.
print.de: Das Wort Museum klingt so „verstaubt“. Machen Sie doch mal Lust auf Museen.
Dr. Ulf Sölter: In unserer Interimsausstellung „Gutenberg-Museum MOVED“ setzen wir auf ein Bildungserlebnis. Das ist ganz wichtig. Letztlich konkurrieren wir ja auch mit anderen Bildungs- und Freizeitangeboten. Mit unserer aktuellen Ausstellung holen wir die Leute da ab, wo sie herkommen. Wir haben Querbezüge zum Leben heute. Damit es zu diesem Bildungserlebnis kommt, möchten wir den Einstieg auch vereinfachen. Statt über ewig lange Saaltexte versuchen wir vor allem visuell Inhalte zu vermitteln. Dazu setzen wir auch auf einen sehr umfänglichen Einsatz von Medientechnik. Museum soll Spaß machen.
print.de: Wie würden Sie das Gutenberg-Museum charakterisieren?
Dr. Ulf Sölter: Es beherbergt eigentlich mehrere Museen unter einem Dach. Wir sind zum einen ein sehr personenbezogenes Museum, das sich der Geschichte, dem Wirken und den Erfindungen des größten Sohnes der Stadt, nämlich Johannes Gutenberg, widmet. Das ist vergleichbar vielleicht mit einem Beethovenhaus. Auf der anderen Seite stehen wir für einen geradezu spirituellen Moment − wenn man in unsere Schatzkammer kommt und die beiden originalen Gutenberg-Bibeln erleben darf. Und wir sind ein Erlebnismuseum. Wir stehen für die Sichtbarmachung von Prozessen, für die Druckvorführung, die Sie stündlich erleben dürfen. Ich habe bereits auf einige Sammlungsbestände hingewiesen. Etwa die Buchsammlung mit unzähligen Frühdrucken. Oder unsere grafische Sammlung. Dann die technikgeschichtliche Sammlung mit zahlreichen, sehr wichtigen Druckmaschinen. Wir könnten heterogener und einzigartiger nicht sein.
print.de: Wie sieht der Zeitplan für den Neubau in der Stadtmitte aus?
Dr. Ulf Sölter: Im Frühjahr nächsten Jahres wird der Abriss, der Rückbau der bestehenden Immobilie aus den Jahr 1962 beginnen – direkt im Herzen der Mainzer Altstadt. Unmittelbar danach kann dann mit dem Neubau begonnen werden. Natürlich wäre es jetzt fatal, sich auf ein konkretes Jahr für die Neueröffnung festzulegen. Selbst ein gröberer Zeitraum wäre da zu früh gegriffen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir Römerstadt sind und bei Baustellen hier in Mainz vielfach Dinge zum Vorschein kommen, mit den man vorher nicht rechnen konnte. So etwas kann schnell zu Bauverzögerungen führen. Wir hoffen auf das Jahr 2029 für die Neueröffnung.
print.de: Wie wird sich das „neue“ Gutenberg-Museum vom alten unterscheiden?
Dr. Ulf Sölter: Wir sind ein sehr gut besuchtes Museum. Mit rund 160.000 Besucherinnen und Besuchern im Jahr gehörten wir zu den Top 10 Prozent der meist besuchten Museen in Deutschland. Dennoch wollen wir natürlich unser Angebot, auch wenn es jetzt übergangsweise verkleinert werden musste, noch besser machen. Wir sprechen mit unserer Ausstellung schon jetzt dezidiert die breite Öffentlichkeit an. Und dies nicht nur durch die Schätze, die Gutenberg-Bibeln, oder durch die Druckvorführung, sondern auch durch die frische Präsentation. Bei uns geht es jetzt nicht mehr so sehr um die Chronologie, also darum, einen Zeitstrahl präzise abzuarbeiten, sondern es geht mehr um thematische Bezüge. Wir sind davon überzeugt, dass wir so unsere Besucherinnen und Besucher besser erreichen können.
print.de: Die Interimsausstellung ist fertig. Das alte Haus geschlossen. Was macht der Museumsdirektor jetzt?
Dr. Ulf Sölter: Natürlich sind wir weiterhin im Betrieb. Wir haben auch im Naturhistorischen Museum die Möglichkeit, Sonderausstellungen zu organisieren. Aber natürlich geht es jetzt erstmal noch um den Abschluss der Umzüge. Ein zentrales Thema ist dann ab Januar 2025 die Neubauplanung. Hier wollen wir nichts dem Zufall überlassen. Wir haben jetzt auch eine Szenografieagentur, die wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit einbinden. Und dann gibt es noch ein ganz großes, neues Thema: Digitalisierung. So wie auch in der Druckbranche ist bei uns die Digitalisierung ein ganz wesentliches Thema. Wir werden unsere Bestände erschließen und digitalisieren. Das ist eine Zukunftsaufgabe.
print.de: Bleisatz oder Tiegelpressen werden im Eingangsbereich von Druckereien gerne präsentiert. Kommen viele Drucker ins Museum?
Dr. Ulf Sölter: Ja. In meinen fast zweidreiviertel Jahren, die ich hier im Gutenberg-Museum bin, konnte ich auch immer wieder mit Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch kommen, die sich dann als der Druckbranche zugehörig geoutet haben. Es ist sehr schön, dass wir mit diesem Haus die Branche ansprechen. Sehr bewegend war ein Erlebnis mit dem sogenannten Wünschewagen von der Initiative „Letzte Wünsche wagen“. Ein schwerkranker, ehemaliger Drucker hatte den letzten Wunsch, ins Gutenberg-Museum zu kommen. Ihm dann noch einmal mal unsere Ausstellung zu zeigen, das fand ich sehr bewegend. Ich spüre eine große Verbindung zwischen den Menschen, die für diese Branche tätig sind, und unserem Museum. Das ist auch eine Verantwortung.
„So wie auch in der Druckbranche ist bei uns die Digitalisierung
ein ganz wesentliches Thema. Wir werden unsere Bestände
erschließen und digitalisieren. Das ist eine Zukunftsaufgabe.“
print.de: Was kann die heutige Druckbranche von Gutenberg lernen?
Dr. Ulf Sölter: Dass Innovationsgeist zählt. Was Gutenberg entwickelt hat, das ist ja nicht nur eine einzelne Erfindung. Es ist das Zusammenspiel zahlreicher Erfindungen, wenn wir an das Handgießgerät denken, an seine Erfahrungen mit Metalllegierungen, mit der verwendeten Druckerschwärze, dem ganzen Prozess, dieser Exaktheit, dieser Schönheit, dieser Klugheit, wie das alles durchdacht wurde. Ich glaube, Innovation braucht es immer in jeder Branche, aber insbesondere in der Druckindustrie. Ich glaube, dass auch heute noch die Innovationskraft einen riesigen Unterschied ausmacht.
GUTENBERG IM NATURHISTORISCHEN MUSEUM MAINZ
Mit der Eröffnung der Interimsausstellung „Gutenberg-Museum MOVED“ wird das Erbe Gutenbergs in den sanierten Räumen des Naturhistorischen Museums Mainz lebendig. Seit dem 23. November 2024 können Besucherinnen und Besucher auf 1030 m² Ausstellungsfläche herausragende Objekte aus der umfassenden Sammlung des Gutenberg-Museums entdecken.
Bei der Eröffnungsfeier betonte Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse die mediale Strahlkraft von Gutenbergs Erfindung und die Bedeutung des Gutenberg-Museums für Mainz und darüber hinaus. „Die Entscheidung, das Gutenberg-Museum vorübergehend im Naturhistorischen Museum unterzubringen, war eine geniale Lösung“, sagte Grosse. Sie hob hervor, dass die Umgestaltung der Reichklarakirche und die Neuinterpretation der Ausstellung eine Chance für beide Museen darstellt. Zum einen aufgrund der Notwendigkeit einer neukonzipierten Präsentation der Dauerausstellung des Gutenberg-Museums in neuer räumlicher Umgebung, die damit die Chance einer „Best of“-Version in sich barg. Und zum anderen die bauliche Aufwertung und Sanierung der Reichklarakirche für eine Nachnutzung des Naturhistorischen Museums Mainz.
Die Notwendigkeit eines Interims ergibt sich, da ab März 2025 der Bauzaun am Standort Liebfrauenplatz gestellt wird und die vorbereitenden Arbeiten für den Neubau des Gutenberg-Museums beginnen.
Die Ausstellung „Gutenberg-Museum MOVED“ zeigt nicht nur die Meilensteine des Buchdrucks, sondern auch, wie Gutenbergs Erfindungen die heutige Medienlandschaft revolutionieren. Ein Highlight ist das neue Stadtmodell, das die Entwicklung der Mediengeschichte in einer Animation visuell anschaulich vermittelt. Ein medieninszenierter Objekttisch sowie digitale Präsentationen geben Einblicke in die Drucktechnik und die Geschichte des Buchdrucks. Neu gestaltet sind der Druckladen, die Stationen für die Druckvorführungen im Obergeschoss und das Kino, in dem zwei Filme gezeigt werden: Der vom SWR produzierte Gutenberg-Film aus dem Jahr 2013 und ein Kurzfilm von Stefan Matlik über Gutenberg mit Lars Reichow als Sprecher.
Besucher können in der neuen Ausstellung auch selbst aktiv werden: An verschiedenen Medienstationen haben sie die Möglichkeit anhand einer Medienkarte Hintergrundwissen zu einigen Exponaten einzuholen. Auf dieser Medienkarte werden Bewegtbilder zum jeweiligen Thema aufgespielt. Ein weiterer Mehrwert der Medienkarte besteht darin, das eigene Selfie, welches an der Selfiestation im Ausstellungsraum in der Kulisse einer mittelalterlichen Druckwerkstatt erstellt werden kann, ausgedruckt mit nach Hause zu nehmen.
DR. ULF SÖLTER
ist studierter Kunsthistoriker und Ethnologe. Der 52-jährige war von 2019 bis 2022 Direktor des Gustav-Lübcke-Museums in Hamm (Westfalen) bevor er im Frühjahr 2022 an das Gutenberg-Museum in Mainz wechselte, welches sich auf Stadtratsbeschluss derzeit baulich wie strukturell grundlegend erneuert.
Das Interview mit Dr. Ulf Sölter gehört zu einer Reihe von Geschichten über „Menschen in der Druckindustrie“ auf print.de.
Sein Porträt sowie Reportagen über weitere Menschen, deren Herz heftig für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2024 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.