Wie vielfältig und dynamisch Schrift sein kann, erlebten Mitte Mai die Teilnehmenden der 27. Leipziger Typotage – vor Ort und online. Unter dem Motto „MOVE. Schrift und Bewegung“ beschäftigten sich die Beiträge unter anderem mit Schriftforschung, Creative Coding, Schriftdesign und visueller Kommunikation. Sieben Sprecherinnen und Sprecher gaben Einblicke in ihre Arbeit mit Typografie und welche Rolle Bewegung dabei spielt.
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Typografie in Bewegung
Der Leipziger Schriftgestalter Fabian Dornhecker zeigte am Samstag am Beispiel seiner Display-Schriften, wie wichtig Mut zum Experimentieren ist, um aus einer statischen eine dynamische Schrift zu machen. Die ausdrucksstarken Ergebnisse vertreibt er über seine eigene Typefoundry „La Bolde Vita“.
Mit Anja Lehmann und Ronald Krause vom Leipziger dzb lesen (Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen) wurde Schrift haptisch. Dabei bewegten sich nicht die Zeichen, sondern die „lesenden“ Hände über die Brailleschrift. Das große Interesse des Publikums machte deutlich, dass die Reduzierung von gestalterischen Barrieren eine hohe Relevanz hat.
Im dritten Vortrag kamen Schriftzeichen dann richtig in Bewegung. Michael Kreß aus Trier gab Einblicke in das Feld des Creative Codings und zeigte, welche Möglichkeiten das Programmieren für den Gestaltungsprozess eröffnet. Dabei geht es keinesfalls darum, Gestalterinnen und Gestalter zu ersetzen, sondern Gestaltungsvarianten zu realisieren, die manuell kaum vorstellbar wären.
Online aus Indien zugeschaltet war Niteesh Yadav. Er forscht seit vielen Jahren zum Thema Schrift und Augmented Reality. Seine Erkenntnisse vereinen sich in der Schrift „Arone“, die speziell den Anforderungen von AR angepasst ist.
Ebenfalls digital anwesend war Cécile Chavepayre, Kreativdirektorin bei arte, die reich illustriert die Rolle der Schrift und vor allem bewegter Schrift bei dem deutsch-französischen Fernsehsender darstellte.
Praktische Einsichten lieferte auch Irmgard Hesse, Gründerin der Münchner Agentur Zeichen & Wunder. Ihre Vorstellung verschiedener Projekte machte deutlich, dass über ausgefeiltes Design der Inhalt nicht in den Hintergrund treten darf.
Abschließend wurde es historisch. Nikolaus Weichselbaumer, der eigentlich als erster Redner eingeplant war, konnte krankheitsbedingt leider nicht vor Ort sein, hatte jedoch kurzfristig seinen Vortrag aufgezeichnet und sich für eine Fragerunde zugeschaltet. Die ersten Schriften bewegten sich geografisch, durch reisende Schriftgießer. Weichselbaumers Vortrag zeigte Standortfaktoren und Hürden dieser Berufsgruppe im 18. Jahrhundert.
Moderiert wurde die Tagung fachlich versiert und eloquent von der Leipziger UX-Designerin Saskia Kraft. Abschließend formulierte sie gemeinsam mit den Sprecherinnen und Sprechern folgende Aspekte als bestimmend für die künftige Arbeit von Designerinnen und Designern, Schriftgestalterinnen und Schriftgestaltern: interdisziplinäres Arbeiten, Empathie, Agilität und technische Skills.
Am Sonntag konnten die Teilnehmenden die Tagung dann bei einem Letterpress-Workshop in der Schriftsetzerei des Museums ausklingen lassen. Alternativ fand im Deutschen Buch- und Schriftmuseum eine Führung durch die Ausstellung „Dichtung in 3D“ statt. Am Vorabend hatte Anja Stöffler (Hochschule Mainz) vom Projekt „Moving Types“ auf das Thema eingestimmt. Das Archiv umfasst mittlerweile über 800 Filme, Filmausschnitte und Clips, die bewegte Schrift zeigen. Es wächst kontinuierlich und ein Zugang für Forschungszwecke ist in Arbeit.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Mehr Mut zum Experimentieren: Fabian Dornhecker auf den Leipziger Typotagen 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Gestalterische Barrieren in der Blindenschrift reduzieren: Anja Lehmann und Ronald Krause auf den Leipziger Typotagen 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Gestalterische Barrieren in der Blindenschrift reduzieren: Viel beachtetes Thema auf den Leipziger Typotagen 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Gab Einblicke in das Feld des Creative Coding und zeigte die Möglichkeiten des Programmierens für den Typografie-Prozess auf: Michael Kreß auf den Leipziger Typotagen 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Forscht seit vielen Jahren zum Thema Schrift, Typografie und Augmented Reality: Niteesh Yadav auf den Leipziger Typotagen 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Leipziger Typotage 2022: kurze Pause von Typografie und Gestaltung auf dem Museumshof.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Wurde digital zugeschaltet: Cécile Chavepayre, Kreativdirektorin bei arte, auf den Leipziger Typotagen 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Machte klar, dass über ausgefeiltes Design der Inhalt nicht in den Hintergrund treten darf: Irmgard Hesse auf den Leipziger Typotagen 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Vor Ort in Präsenz oder zuhause online am Rechner: das Publikum der Leipziger Typotage 2022.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Anja Stöffler (Hochschule Mainz) vom Projekt „Moving Types“.
Bild: foto+design Klaus-D. Sonntag
Virtuell / präsente Abschlussdiskussion auf den Leipziger Typotagen 2022.
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Das sind die Leipziger Typotage
Die Leipziger Typotage werden jährlich von der Gesellschaft zur Förderung der Druckkunst Leipzig e.V. veranstaltet. Das Museum für Druckkunst als lebendiger, industriekultureller Ort könnte als Veranstaltungsort kaum passender sein. Das Haus verbindet einen Werkstattbetrieb mit einem Museum und zeigt historische Gieß-, Setz- und Druckverfahren an voll funktionsfähigen Maschinen. Mit seiner umfangreichen Sammlung an Bleischriften und Matrizen beherbergt das Haus zudem die deutschlandweit zweitgrößte Sammlung auf diesem Gebiet. Ansässig ist das Museum im westlichen Leipziger Stadtviertel Plagwitz in einem Industriegebäude mit 100-jähriger Tradition als Druckwerkstatt.
Die 28. Leipziger Typotage finden im Mai 2023 zum Thema „Schrift und Lust“ statt.