Kommentar über den Verbleib der Arbeiten von Olaf Leu
Grafikdesign – Kulturgut für die Tonne?!
von Silvia Werfel,
Im Juli des vergangenen Jahres hat “Design-Papst” Olaf Leu – eine Bezeichnung, die er eigentlich gar nicht über sich hören möchte – seinen 85. Geburtstag gefeiert. Was seine Arbeiten angeht, so hat er sich frühzeitig darum gekümmert, sie als Schenkung einem Museum zugänglich zu machen. Ein leider unrühmliches Kapitel.
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Auch Grafikdesign kann – frei nach Kurt Schwitters – „unter Umständen Kunst sein“. Ist also sammelnswert! Wie wunderbar, dass es in Heidelberg das Verpackungsmuseum gibt, in Frankfurt am Main, Köln und Wien Museen für Angewandte Kunst und in Hamburg das traditionsreiche Museum für Kunst und Gewerbe, Institutionen also, die sich unter anderem mit den grafischen Facetten der Alltagskultur beschäftigen.
Nicht zu vergessen gibt es in Essen das Deutsche Plakat Museum (DPM). Gegründet wurde es 1974, sein erster Direktor war bis 2002 Dr. Frieder Mellinghoff. Nach mehreren Umzügen ist das DPM nun als Abteilung des Museums Folkwang, das dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, in dessen Neubau mit untergebracht. Seit 2005 leitet es René Grohnert. Die Sammlung enthält mehr als 350.000 Plakate aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur von den Anfängen der Plakatentwicklung bis in die Gegenwart. Sie „beherbergt Blätter bekannter Künstler und innovativer Gestaltung ebenso wie Plakate als Dokumente der Alltagsgeschichte“ (Website).
1989 fand im DPM die von Frieder Mellinghoff und Olaf Leu konzipierte Ausstellung „Wort Bild Wort“ statt, bestückt mit Material aus Leus Sammlung des Type Directors Club of New York. Sie zeigte grafische Arbeiten „im Spannungsfeld zwischen Schrift und Bild“ und dokumentierte zudem die Übereignung des TDC-Materials von Leu ans Museum, „weil es dort pfleglicher behandelt und besser der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann“, so Olaf Leu.
“Weg ist weg.”
Leider nicht! Recherchen ergaben, dass dreißig Jahre später aus diesem Bestand einzelne Plakate herausgefischt und der Rest weggeworfen wurde. Ohne Rücksprache mit dem Übereigner oder einem TDC-Vertreter. Einst wohl nur per Handschlag besiegelt, gibt es keinerlei Handhabe. Weg ist weg.
Olaf Leu, der in Frieder Mellinghoff einen engagierten Verbündeten hatte, vermachte dem DPM auch die umfangreiche Collection eigener Arbeiten, darunter Anzeigenserien, Plakate und 15 Werkmappen. Alles detailliert in einem Schenkungsvertrag besiegelt. Wer nun aber im Archiv des DPM über Olaf Leu, einen der renommiertesten deutschen Grafikdesigner, recherchieren möchte, findet: nichts. Was ist aus der Collection Olaf Leu geworden?
Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln und Ausstellen sind die Aufgaben eines Museums. Selbstverständlich ist es legitim, dass René Grohnert als neuer Leiter andere Sammlungs- und Ausstellungsschwerpunkte setzt als sein Vorgänger. In der Zukunft ausschließlich auf Plakatgestaltung zu fokussieren, ist ebenfalls in Ordnung. Herr Grohnert muss sich gleichwohl fragen lassen, ob es wirklich korrekt ist, mit Schenkungen so umzugehen, wie offensichtlich im DPM geschehen.
Ein Interview mit Olaf Leu über sein Lebenswerk, den TDC und seine Einschätzung zu Typografie und Grafikdesign in Deutschland findet sich in DD 2/2022. Das Heft gibt’s zum Download oder als Printversion im print.de-Shop.