Kommentar von Michael Paß zur Berufsschulbildung in der Pandemie

Wechselunterricht als Lösung aller Probleme?

DD Insider-Kolumnist Michael Paß
Michael Paß unterrichtet an der Beruflichen Schule 6 in Nürnberg.

Die Duale Berufsausbildung ist derzeit konfrontiert mit diversen Konzepten bei der Beschulung unserer Auszubildenden. Lehrer und Schüler switchen zwischen Präsenz-, Distanz- und Wechselunterricht hin und her und wie die jeweils kommende Woche beschult wird, ist oft nicht klar. Es herrscht Unsicherheit und der Wunsch nach Konstanz, bei der niemand auf der Strecke bleibt.

Anzeige

Während in der Phase des Lockdowns die Beschulung komplett auf Distanzunterricht umgestellt wurde, so befinden wir uns derzeit bereits in der nächsten Phase, in der einige Klassen in Präsenz unter diversen Hygienevorschriften beschult werden. Diesem Schritt der Wiederöffnung der Schulen haben wir alle entgegengefiebert, weil es uns ein wenig die Normalität im Alltag zurückbringt und wir somit hoffentlich dabei sind, die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Zusätzlich sind jetzt Schnelltests an den Schulen im Einsatz, wo Lehrer und Schüler getestet werden können. Hinzu kommt, dass in vielen Unterrichtsräumen, in denen das Lüften nicht ausreichend erfolgen kann, jetzt auch Luftfilter installiert wurden. Dies alles ist positiv zu bewerten und führt selbstverständlich zu besseren Bedingungen. Gelöst wird an dieser Stelle jedoch nicht das Problem, welches als Konsequenz der Hygienevorschriften alle Beteiligten am Lernprozess begleitet.

Wechselunterricht in der Beruflichen Bildung bedeutet, dass in Klassen mit mehr als 15 Schülern – und somit in den meisten Klassen – jeweils nur die Hälfte der Klasse in Präsenz unterrichtet wird. Hier gibt es unterschiedliche Konzepte mit Gruppeneinteilungen in vormittags und nachmittags, tageweisen Wechsel oder wöchentlich rotierenden Gruppen. Egal welches Konzept zugrunde gelegt wird, so bleibt jedoch die eine Gruppe auf der Strecke. Es ist leider nicht umsetzbar, dass die eine Hälfte vor Ort in der Schule Präsenzunterricht genießt und die andere Hälfte der Klasse sich digital dazuschalten kann. Somit wird nur die Hälfte des Lehrstoffs vermittelt.

Die Frage, die sich hier stellt, liegt auf der Hand: Bringt es mehr, die Hälfte der Klasse in Präsenz zu beschulen oder die ganze Klasse im Distanzunterricht zu erreichen? Die Antwort muss vielleicht von Schule zu Schule unterschiedlich beantwortet werden, jedoch sehe ich funktionierenden Distanzunterricht, der 1:1 den Stundenplan abbildet als die bessere Variante. In der Berufsbildung haben wir es mit jungen Erwachsenen zu tun, welche die digitalen Herausforderungen schon längst gemeistert haben.

Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, dass ich mich für flächengreifenden Distanzunterricht ausspreche, denn die pädagogische Förderung von lernschwachen und zum Teil demotivierten Schülern erfolgt im Präsenzunterricht um ein Vielfaches besser.

Der Wechselunterricht muss jedoch mit einer didaktischen Stoffreduzierung einhergehen, denn es kann nicht erwartet werden, dass die Schülerinnen und Schüler sich den Lehrstoff selbstständig erarbeiten. Hinzu kommt, dass die zahlreichen zu erbringenden Leistungserhebungen auf ein Mindestmaß reduziert werden müssen. Erst wenn hier klare Bestimmungen und länderübergreifende Vereinbarungen getroffen werden, kann Wechselunterricht die Lösung in Zeiten der Pandemie darstellen.


Michael Paß ist seit 2015 Berufsbereichsbetreuer für die Bereiche Druck, Foto und Medien an der Beruflichen Schule 6 und verantwortlich für die Weiterbildung an der Fachschule für Druck- und Medientechnik in Nürnberg. Der gelernte Bankkaufmann ist seit 2004 im Schuldienst und seit 2006 bei der Stadt Nürnberg. Seine Insider-Kolumne erschien in Deutscher Drucker 5/2021.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. “Es ist leider nicht umsetzbar, dass die eine Hälfte vor Ort in der Schule Präsenzunterricht genießt und die andere Hälfte der Klasse sich digital dazuschalten kann”

    Gibt es für diese Behauptung eine Begründung?

    Unsere Azubis (Medientechnologen Druckverarbeitung) sind in einem anderem Schulstandort in Bayern im Wechselunterricht in der Schule. Dort klappt es seit Monaten, dass die eine Hälfte im Schulhaus sitzt und die andere Hälfte zu Hause/Firma und am Unterricht teilnimmt.

    Eingesetzt wird MS Teams.

    Grüße, Robert Kleist

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo Herr Kleist,

      wir nutzen auch MS-Teams an der Schule. Leider ist die Internetverbindung in der Schule und die Ausstattung nicht so flächendeckend ausgebaut, dass aus allen Klassenzimmern diese Möglichkeit genutzt werden kann. Dies führt oft dazu, dass der Teil der zu Hause bzw. in der Firma sitzt, dann wenig versteht oder nur mit Aufträgen versorgt wird.
      In den letzten Monaten ist viel passiert und es ist schon vieles besser geworden. Wir reden nicht von unüberwindbaren Hindernissen aber von Herausforderungen an die digitale Infrastruktur.

      Auf diesen Kommentar antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.