Segbert richtet automatisierte Linie für Prinovis Dresden ein
Verpacken und Palettieren mit Herz und Hirn
von Redaktion,
Beim Druckdienstleister Prinovis in Dresden schlängeln sich unter der Hallendecke die Förderbänder wie eine Achterbahn, während eine Digitalanzeige inmitten der Geraden, Steigungen, Loops und Schleifen immer höhere Werte anzeigt. Bei 34.000 bleiben die leuchtend roten Ziffern schließlich stehen. Eine kleine Gruppe Zuschauer, die den Prozess gebannt beobachtet, tauscht zufriedene Blicke aus. Der Hochleistungshefter leistet ganze Arbeit an der aktuellen Ausgabe der „Frau mit Herz“.
Kommissionierung der Magazine automatisieren
„Bis zu 40.000 Stück pro Stunde sind drin“, erklärt Rainer Meixner. Er präsentiert einer Besuchergruppe um Klaus Segbert eine Produktionsanlage, deren letzte Station so etwas wie ihr gemeinsames Baby ist – Rainer Meixner als Projektleiter bei Prinovis und Klaus Segbert als Kopf der Ahauser Firma Segbert, die automatisierte Verpackungssysteme für die Druck- und Verpackungsindustrie entwickelt, produziert und auf individuelle Anforderungen hin konfiguriert.
Zwei Große haben sich hier gefunden: die Segbert GmbH & Co. KG als Weltmarktführer in ihrem Bereich und Prinovis als einer der größten Druckdienstleister Europas, mit Niederlassungen in Liverpool, Ahrensburg, Nürnberg – und eben Dresden. Hier geht es nun darum, die sonst in weiten Teilen noch von Hand erledigte Kommissionierung von Publikumsmagazinen zu automatisieren. Zwischen Hochleistungshefter und Verladerampe arbeitet also eine Verarbeitungslinie, die mehrheitlich aus Segbert-Komponenten besteht – und die vor allem einen Mann strahlen lässt: „Mit so einer Anlage ist man unabhängig von Hilfskräften“, erklärt Martin Lehmann, der den Aufbau der Anlage als Prozesskoordinator bei Prinovis von Beginn an begleitet hat. Hilfskräfte bedeuten Fluktuation. Und die hat ihre Tücken.
„Das Problem ist, dass die Leute immer erst angelernt werden müssen.“ Fachkräftemangel und Kostendruck – Themen, die auch die Druckindustrie längst eingeholt haben. Effektivität ist also Trumpf, sowohl in Sachen Output als auch beim Thema Fehlervermeidung.
Mögliche Fehlerquellen bieten zum einen die Vielzahl an vom Verlag bereitgestellten Adressen, an die schließlich ausgeliefert werden muss, die unterschiedliche Höhe der Pakete, zu denen die Exemplare gebündelt werden müssen und schließlich variierende Spezifizierungen beim Wechsel von einem Produkt zum nächsten, etwa beim Magazinformat. „Mit den sinkenden Auflagen in der Druckindustrie haben wir natürlich das Problem, dass die Kleinteiligkeit größer wird“, erklärt Rainer Meixner.
Will heißen: Am Ende der Produktionsstraße kommen zunehmend mehr Spitzenballen mit kleinen Stückzahlen heraus. Die zu erkennen, im laufenden Prozess zu „parken“, bis wieder die Höhe eines Vollballens erreicht ist und ihn abschließend in die Palettenlogistik passgenau einzubauen – das ist manuell nur mit hohem Zeitaufwand und kaum ohne Fehlertoleranz zu bewerkstelligen.
Und nicht zu vergessen: die Steuerungssoftware. Die steckt in Dresden vor allem im „BundAdmin“, der nach dem Sammelhefter die Aufgabenverteilung übernimmt.
Komplettlösung von nur einem Hersteller
„Prinovis wollte eine Komplettlösung von einem Hersteller, eine vollautomatisierte Strecke bis auf die Palette, wo nur noch ein Bediener eine beobachtende Funktion hat“, erklärt Sebastian Rensing. Bei Segbert ist Rensing direkter Ansprechpartner für Prinovis. „Durch die Einzelkomponenten, die wir anbieten und zusammenstellen können, konnten wir das anbieten“, so der Automatisierungstechniker. Gerade bei der kniffligen Aufgabe, aus unterschiedlich hohen Paketen eine stabile Palette zu packen, die bei Transport und Versand nicht auseinanderfällt, mit Lagenbildern, die auch den Versandanforderungen entsprechen, beweist sich die Expertise des Teams aus Fachleuten aus den Bereichen Elektro, Prozess und IT bei Segbert. „Da haben wir ein Alleinstellungsmerkmal“, so Rensing, „schon seit Jahren.“
Rensing und seine Kollegen sind dabei mehr als nur die Tüftler, die ihre Produkte mit einem Installationsteam auf Reisen schicken. „Die Schnittstelle ist der Unterweiser vor Ort beim Kunden“, so Rensing weiter. Die Philosophie dabei: kundenorientierte Lösungen, die auf Wunsch etwa auch Komponenten von Fremdfirmen integrieren. Bei Prinovis in Dresden war das etwa die Bändersteuerung. Manches entsteht aber unter Umständen erst im Austausch vor Ort. Rensing: „Alles, was im kleinen Rahmen vor Ort schnell erledigt werden kann, wird vor Ort mitgelöst.“ Dabei gehen den Arbeiten vor Ort durchaus Monate der Planung, Abstimmung und Vorbereitung voraus. Noch während der Installation und Testphase werden Anpassungen vorgenommen.
Zur Zufriedenheit des Kunden: „Da sind ganz viele Ideen entstanden während der Produktion“, erzählt Martin Lehmann. „Man kann im Labor viel machen, aber in der Praxis, über eine längere Zeit, sieht man erst, wo Fragen auftauchen.“ In dieser ersten Testphase der Anlage sei der direkte Draht zu Sebastian Rensing besonders wertvoll gewesen – bis hin zum abschließenden Coaching für die Maschinen-Bediener. Lehmanns Fazit: „Das war eine ganz tolle Zusammenarbeit.“
Der Kreuzleger als Herz
Entstanden ist ein organisches Konstrukt, dessen Teile nahtlos ineinandergreifen – mit dem Kreuzleger als Herz des Ganzen und dem „BundAdmin“ als Gehirn, wie Klaus Segbert scherzhaft sagt. Hier werden die von den Logistikern des Hauses gelieferten Daten mittels einer Liste mit den Bundzettelangaben eingespeist. „Aktuell mache ich das von Hand, aber ein Tool dafür steht bereit“, erklärt Martin Lehmann. „Wenn das getestet ist, wird es implementiert.“ Stückzahlen, ID-Nummer, Adressdaten für den Bundzettel – Abgleich und Weiterverarbeitung werden von hier gesteuert. Auch eine Log-Datei hat der PC, die protokolliert, welche Charge gefertigt wurde und welche nicht, falls der Bundzettelaufleger mit dem Tempo von Hefter oder Kreuzleger nicht mitkommt. Bei Bedarf kann der Bediener einzelne Positionen in der Verarbeitungsliste verschieben. Mindermengen werden über eine Schleuse vorab händisch entnommen, etwaige Fehler meldet das System per Ampel und Signalton und stoppt gegebenenfalls automatisch – bedienerfreundlich und wartungsarm. Erst als der Hefter auf Maximaltempo fährt, muss Lehmann vereinzelt eingreifen.
Unterdessen ist Klaus Segbert immer noch auf der Suche nach Optimierungspotenzial und neuen Herausforderungen. Er erlebe immer wieder, dass die ersten Schritte auf dem Weg zur Automatisierung auch viel mit Vertrauensbildung zu tun haben. Es gelte, „Vertrauen in die Maschinen“ zu bilden. „Diese Überzeugungsarbeit zu leisten – das ist das A und O.“ In Dresden ist das nicht mehr notwendig. Einzig Mario Bartusch, der als Bediener für die automatisierte Linie geschult wird, findet lachend ein Härchen in der Suppe, weil alles so gut läuft: „Die Erfahrung von heute ist positiv“, sagt er. „Aber zum Lernen ist es vielleicht schlecht, weil nichts passiert.“ Martin Lehmann kann da nur zustimmen. Er bedauert es fast, dass er bei Prinovis künftig andere Aufgaben im Bereich Versorgungstechnik übernehmen wird. Die drei bis vier Monate, die er mit dem Projekt der Installierung, Einrichtung und Anpassung der Verpackungslinie verbracht hat, waren arbeitsreich, aber sie haben ihm tatsächlich auch Spaß gemacht.
„Manche haben eine Eisenbahnplatte auf dem Dachboden.“ Martin Lehmann breitet die Arme aus: „Ich hab’ das hier.“ (cnc)
Die Segbert GmbH & Co. KG in Ahaus wurde 1968 von Stephan Segbert gegründet und wird seit 2019 von seinem Sohn Klaus Segbert geführt. Das familiengeführte Unternehmen mit 50 Mitarbeitern bietet intelligente und wirtschaftliche Automatisierungskonzepte, Logistiklösungen für die Druck- und Verpackungsindustrie und entsprechende Services an. Innovative Robot- und Cobot-Palettierer, wie der Multi-Purpose Robot-Palettierer VPA-R oder der verfahrbare Cobot CPA-10, erweitern derzeit das Firmenportfolio. Die Segbert GmbH & Co. KG agiert international und ist besonders auf dem europäischen und US-amerikanischen Markt vertreten.