Viele Menschen, mit denen ich mich unterhalte, verbinden den Begriff der Künstlichen Intelligenz mit Sorge oder gar Angst und weichen einer Beschäftigung mit dem Thema aus. Dieses allzu menschliche Verhalten kann einen Unternehmer aber teuer zu stehen kommen.
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Schon John F. Kennedy hatte seine Landsleute gewarnt, dass auf lange Sicht nur eines teurer sei als Bildung, nämlich keine Bildung. Schließlich werden die Methoden der Künstlichen Intelligenz heute in allen gewerblichen Bereichen in Form der verschiedensten Technologien wirksam und stellen für die Unternehmen einen Wettbewerbsfaktor dar.
Zuallererst: Was ist Künstliche Intelligenz?
Im Kern geht es dabei stets um zwei Fähigkeiten, die wir vom menschlichen Denken her kennen: Erstens werden Entscheidungen auf Basis von Wahrscheinlichkeiten, so genannten probabilistischen Informationen getroffen. Ein Mensch würde beispielsweise seinen Entschluss zur Flucht vor einer anderen Person von einer Summe gewichteter Merkmale wie Lautstärke, Mimik und Gestik abhängig machen, wobei jedes einzelne Merkmal für sich nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Gefahr ausdrückt. Eine besonders grimmige Mimik könnte auch ironiebehaftet oder ein Schrei durch einen Jubel verursacht sein. Zweitens muss ein System, dem man Künstliche Intelligenz beimisst, lernfähig sein. Konkret müssen die Wahrscheinlichkeitskoeffizienten durch „Training“ anpassbar bzw. veränderbar sein. Im obigen Beispiel bleibend würde ein Nordeuropäer, der sich auf einem orientalischen Basar mit lauten und intensiv gestikulierenden Marktschreiern wiederfindet, seine Wahrnehmung dahingehend anpassen, dass er die Bedeutung dieser Merkmale für die Gefahrenbeurteilung verringert. Die Marktschreier meinen das schließlich nicht böse.
Nach ihren Anfängen bei elektronischen Plattformbetreibern ist die Methodik der Künstlichen Intelligenz längst auch im industriellen Umfeld angekommen, wenn es darum geht, eine hohe Zahl von Parametern bzw. Daten gleichzeitig zu verarbeiten und „intelligente“ Schlüsse abzuleiten. Dies gilt ebenso für die Druckindustrie und spiegelt sich in verschiedenen Forschungsprojekten der Fogra wider.
Dazu ein konkretes Beispiel: Für Agenturen besteht ein aufwändiger und wiederkehrender Arbeitsschritt darin, aus einer Datenbank mit Millionen Bildern diejenigen auszuwählen und gegebenenfalls zu überarbeiten, die einer menschlichen Beschreibung genügen („Wir suchen natürliche, warme Bilder von Südtirol, die Faszination und Abenteuerlust vermitteln.“). Ziel unseres gerade begonnenen Forschungsprojektes ist es, die Bildauswahl samt etwaiger Korrektur anhand vorher trainierter Bildstile und Stimmungen automatisch durch einen Computer vornehmen zu lassen. Wenn Sie das Projekt interessant finden, machen Sie doch einfach mit und melden sich bei uns. Wir benötigen noch Bilddaten zum Trainieren der neuronalen Netze und zur Erprobung der dahinterliegenden Netzstrukturen.
Flucht hilft nicht weiter
Geht auch eine Gefahr von Künstlicher Intelligenz aus? Ja, selbstverständlich können diese Ansätze vor allem im Kontext von Big Data missbraucht werden. Aber die Gefahr wird nicht dadurch kleiner, dass man die nützliche Seite der Methodik ignoriert und, im Beispiel bleibend, einfach die Flucht ergreift.
Dr. Eduard Neufeld (49) leitet das Fogra Forschungsinstitut für Medientechnologien in Aschheim bei München. Er studierte Physik und promovierte an der TU München im Bereich der Halbleiterphysik. NebenStationen in Forschung und Entwicklung war er auch als Berater der Boston Consulting Group international tätig. Sein Kommentar erschien in Deutscher Drucker 21/2020.