Wirtschaftlicher Totalschaden oder Instandsetzung nach Unfall?
von Annika Boehringer,
Zur Schadensregulierung musste der berichtende Sachverständige dem Versicherer nachweisen, ob es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelt oder eine gewerblich durchgeführte Wiederinstandsetzung wirtschaftlich ver-tretbar ist. Die Höhe des zu erwartenden Schadens und der konkrete Sachverhalt rechtfertigten diese Untersuchung.
Sachverhalt
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Eine neue großformatige Bogenoffset-Druckmaschine mit sieben Druckwerken und einem Lackierwerk wurde mit See- und Landtransport zu einer Druckerei geliefert. Der Übergabetermin war zwischen dem Hersteller und dem Käufer vertraglich fest vereinbart. Beim Ent-laden des Anlagedruckwerkes wurden zwei Autokräne eingesetzt. Durch nicht sachgerechte Lastverteilung beim Entladen aus dem Container drehte sich das Druckwerk samt Transportpalette auf die Antriebsseite und stürzte mit seiner Bruttomasse von 8.000 kg aus zwei Metern Höhe auf den Betonfußboden. Die Abbildung zeigt das umgestürzte Druckwerk.
Die offensichtlichen Schäden waren gerissene und verformte Teile des Unterbaugestells und des Druckturms, Beschädigung diverser Anbauteile auf der Antriebsseite und von Verkleidungen. Nicht offensichtlich erkennbar waren Verformungen an Axiallagern sämtlicher Zylinder, Trommeln und Walzen, an Zahnrädern des Räderzuges und am Anlagegetriebe.
Die Schadensaufnahme erfolgte nach dem Unfall durch örtliche Gutachter für Transportschäden und eine umfassende Fotodokumentation. Das erlaubte eine hinreichende Beurteilung des Schadensumfangs. Der Transport war durch den Hersteller versichert. Zur Regulierung des Schadens war neben dem Schadensumfang und der Schadenshöhe durch den Sachverständigen zu prüfen, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt oder eine Wiederinstandsetzung des verunfallten Druckwerkes aus wirtschaftlicher Sicht infrage kommt. Die Prüfung wurde durch die Entscheidung beeinflusst, dass der Hersteller zur Einhaltung des Liefervertrages die sofortige Ersatzlieferung eines baugleichen Druckwerkes mit Luftfracht festlegte.
Totalschaden oder Instandsetzung?
Als Entscheidungskriterien ob wirtschaftlicher Totalschaden oder Wiederinstandsetzung infrage kommen, gelten: Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt vor, wenn alle Kosten für eine Wiederherstellung höher als die Wiederbeschaffungskosten für ein neues Druckwerk sind. Das gilt auch dann, wenn die Reparaturkosten des verunfallten Druckwerkes die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert zum Zeit-punkt des Schadensereignisses übersteigen. Die Reparaturkosten werden bei solchen Vergleichen auf Basis einer gewerblich durchgeführten Wie-derinstandsetzung durch Fachpersonal und unter Verwendung von Neuteilen ermittelt. Bei Feststellung eines wirtschaftlichen Totalschadens werden nicht die Reparaturkosten, sondern nur die Kosten der Wiederbeschaffung für einen gleichwertigen Ersatz abzüglich dem Restwert bei Eintritt des Schadens berücksichtigt.
Analyse
Nur durch eine gründliche, aber vom Aufwand her wirtschaftlich vertretbare Analyse der zu bewertenden Sache gelingt eine sichere Einordnung des Schadens. Basis dafür ist die Maschinenbauteilbewertung zu Selbstkosten aus der Maschinenstückliste. Die Stücklisten wurden so aufgelöst, damit weniger als 100 teilmontierte Bauteile selbstkostenmäßig zu bewerten waren.
Kleinteile, die einen nicht signifikanten Kostenbetrag repräsentieren, wurden nicht aufgeführt. In der gesamten Aufwandsberechnung erfolgte später für diese Teile ein äquivalenter Kostenbei-trag als Zuschlag. Bei den Bauteilen des Anlagedruckwerkes mit nennenswerter Kostenhöhe war über einen Austausch oder eine Funktionsprüfung zu entscheiden. Zu den Bauteilkosten und Prüfkosten kamen alle Nebenkosten, die konkret den zu vergleichenden Varianten Totalschaden und Wiederherstellung zuzuordnen waren.
Fazit
Der Vergleich in diesem Fall ergab, dass die Einstufung des verunfallten Analagedruckwerkes als wirtschaftlicher Totalschaden lediglich 84 % der Selbstkosten gegenüber der Wiederherstellung erfordert. In diesem Sinne regulierte die Versicherung den Schaden.
Dr.-Ing. Peter Hofmann war Sachverständiger für Druckmaschinen und Druckverfahren. Der ehemalige Geschäftsführer des Sächsischen Instituts für die Druckindustrie (SID) Leipzig und Vorstandsvorsitzende des Vereins Polygraph Leipzig e.V. ist im Frühjahr 2017 im Alter von 78 Jahren verstorben. www.sidleipzig.de